Magyria 02 - Die Seele des Schattens
hierbleiben, bei Kunun! Er ist meine große Liebe. Verstehst du überhaupt, was das heißt? Du hattest kein Recht, mich zurückzuverwandeln!« Sie sah über den Platz zu Kunun hin, der nun, da die Wölfe fort waren, auf sie zukam, lächelnd. »Ich will hier bleiben!«, rief sie. »Kunun, lass es nicht zu, dass sie mich mitnimmt! Ich will bei dir bleiben! Wo sind die Wölfe? Ruf sie zurück! Wilder soll mich noch einmal beißen. Ich will kein Mensch sein!«
Sie eilte auf Kunun zu und schlang die Arme um ihn. »Halt mich fest. Ich will ein Schatten sein. Ich will nicht zurück. Beiß mich – lieber ein Wolf als das hier. Ich will sein wie du. Kunun!«
Der dunkle König der Schatten küsste sie auf ihr schwarzes Haar, dann schob er sie zur Seite und trat auf Hanna zu.
»Das ist meine Stadt«, sagte er. »Das sind meine Schatten. Wer hat dir erlaubt, herzukommen? Wer um alles in der Welt hat dir erlaubt, so etwas zu tun?«
»Aber …«
Neben ihr baute sich der goldene Wolf auf und knurrte seinen Bruder an.
»Verschwinde, Mattim«, zischte Kunun. »Hier kannst du den Starken spielen, aber was ist, wenn Hanna zurück nach Budapest geht? Dorthin kannst du ihr nicht folgen. Also sei ganz still.« Der Schattenkönig wandte sich wieder Hanna zu. Er stand jetzt so dicht vor ihr, dass ihr war, als würde seine Dunkelheit gleich von ihm auf sie übergehen wie eine ansteckende Krankheit. Er sah fürchterlich aus; keine seiner Wunden würde jemals heilen, aber er versuchte nicht mehr, sie zu verstecken.
»Das war mein Mädchen«, sagte er. »Sie war für diese Stadt bestimmt … wie kannst du es wagen, zwischen uns zu treten? Wie kannst du es bloß wagen, mir meine Prinzessin zu stehlen?«
»Ich lasse mich noch einmal beißen«, schlug Réka zaghaft vor.
»Nein!«, schrie Kunun. »Es ist … es ist anders! Fühlt ihr es denn nicht? Du bist kein Schatten mehr, aber du bist nicht wie vorher. Keiner beißt sie, ich verbiete es! Ich habe keine Ahnung, was dann aus ihr wird.«
»Ich bin für sie verantwortlich«, sagte Hanna, die all ihren Mut zusammennahm. »Ich werde Réka jetzt nach Hause bringen.«
Kunun fixierte sie mit einem unergründlichen Blick, dann lächelte er plötzlich. »Tu das«, flüsterte er. »Und dann solltest du rennen. Und zwar so schnell du kannst. Ich sage euch etwas.« Er sprach zu ihnen beiden, und Mattim knurrte wieder. »Ich bin der König von Akink, der König von Magyria. Und ich bin auch der Herr von Budapest. Jeder Schatten gehorcht mir, in dieser Welt und in der anderen. Jeder Schatten wird tun, was ich ihm sage. Willst du wissen, was ich ihnen befehlen werde, Hanna? Willst du es auch wissen, Mattim? Nein, ich werde ihnen nicht gebieten, dich zu beißen. Selbst als Schatten würde ich dir nicht über den Weg trauen, Hanna. Ich will dich weder in Akink noch in Budapest haben. Meine Geduld mit dir ist zu Ende. Du wirst sterben, sobald dich einer meiner Schatten antrifft, in dieser Stadt oder in jener. Ich hoffe, das hast du verstanden?«
Der goldene Wolf fletschte die Zähne, als Kunun ihm in die Augen starrte. »Das gilt auch für dich«, sagte er. »Verschwinde aus Akink. Ich verbanne dich. Lauf mit den Wölfen, und komm nicht wieder her. Muss ich noch mehr sagen? Willst du hören, was ich tun werde, wenn du ungehorsam bist? Lauf. Na los, renn!« Er scheuchte ihn mit einer Handbewegung fort. Fort von Hannas Seite. Sie sah ihm nach. Noch einmal drehte er sich zu ihr um. Wie viel ein Blick sagen konnte. Wie ein einziger Blick einen in die Knie zwingen konnte, weil er alles gleichzeitig war: unermessliches Glück und allertiefstes Unglück und Hoffnung und Abschied, alles zusammen.
»Genug«, entschied Atschorek. Sie legte Kunun eine Hand auf den Arm. »Beruhige dich. Es ist genug. Und nun geht nach Hause.«
»Nein!«, schrie Réka. »Nein, das könnt ihr nicht machen! Es hat sich nichts geändert. Ich kann auch als Mensch hier leben, hier bei dir. Auch als Mensch! Nicht wahr?«
»Sieh es mal so: Nun brauchst du nicht jahrelang fünfzehn zu bleiben. Nimm es an, was immer Hanna getan hat, um dir das zu ermöglichen.«
»Ich will es nicht! Ich hasse sie!« Réka schluchzte. Nur mit Mühe zog die Schattenfrau das Mädchen von Kunun fort, der mit unbeweglichem Gesicht zusah. Er machte nicht einmal den Versuch, sie zu trösten.
Réka wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich hasse dich, Hanna! Du weißt gar nicht, wie sehr ich dich hasse. Warum musst du dich ständig in alles einmischen?
Weitere Kostenlose Bücher