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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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ursprüngliche zweidimensionale Form annehmen. Und Lubin würde sich immer noch in ihrem Innern befinden.
    Irgendwie fand Desjardins diesen Gedanken beruhigend.
    Rowan hob ein wenig die Stimme: »Ziehen Sie sich bitte aus, Ken. Lassen Sie Ihre Kleider einfach auf dem Boden liegen. Ach ja, am Teleoperator hängt ein Headset. Setzen Sie das bitte während der Prozedur auf.«
    Sie wandte sich wieder Desjardins zu. »Jedenfalls mussten wir an unseren Leuten einige genetische Manipulationen vornehmen, bevor wir sie in die Riftzone hinunterschicken konnten. Wir haben ihnen die Gene von Tiefseefischen eingebaut.«
    »Alice hat gesagt, Tiefseeproteine seien … robuster«, erinnerte sich Desjardins.
    »Sie sind schwieriger zu spalten, ja. Und da die Schwefelvorräte des Körpers in den Proteinen eingeschlossen sind, ist es ßehemoth schwerer gefallen, es den Riftern zu stehlen. Aber wir haben nur die druckempfindlichsten Moleküle verstärkt. Die anderen kann ßehemoth immer noch angreifen. Es dauert nur länger, bis die zellulären Prozesse darunter leiden.«
    »Es sei denn, Sie verstärken auch alle anderen Moleküle.«
    »Jedenfalls die kleineren Verbindungen. Alles unter fünfzig oder sechzig Aminosäuren ist gefährdet. Das hat offenbar irgendetwas mit den Disulfidbrücken zu tun. Natürlich gibt es individuelle Abweichungen. Manchmal weisen die Überträger einen Monat oder länger keine Symptome auf. Aber die einzige Möglichkeit, um wirklich …« Sie zuckte die Achseln. »Nun ja, deshalb bin ich nun zur Hälfte Fisch.«
    »Eine Meerjungfrau.« Die Vorstellung war absurd.
    Rowan schenkte ihm ein kurzes Lächeln. »Sie wissen, wie das Ganze funktioniert, Ken. Legen Sie sich bitte mit dem Gesicht nach unten.«
    Der Operationstisch war um etwa zwanzig Grad geneigt. Der nackte Lubin, dessen Gesicht von einem Headset verdeckt wurde, stützte sich auf dem Tisch ab, als wollte er Liegestützen machen, und senkte sich dann darauf hinab.
    Die Luft schimmerte und summte. Lubins Körper erschlaffte. Und die insektenähnliche Maschine über ihm breitete albtraumartige Arme mit zu vielen Gelenken aus und stürzte sich auf ihre Beute.
     
    »Heilige Scheiße«, sagte Desjardins.
    Lubin war an einem Dutzend Stellen von Nadeln gestochen worden. Quecksilberartige Fäden bohrten sich in seine Handgelenke und versenkten sich in seinem Rücken. Ein Katheder war von selbst in seinen Arsch gekrochen, ein anderer schien seinen Penis aufgespießt zu haben. Etwas Kupferfarbenes glitt ihm in Mund und Nase. Drähte wanden sich über sein Gesicht und krochen unter sein Headset. Der Tisch selbst war plötzlich mit dünnen Nadeln überzogen. Lubin war fixiert wie ein Insekt auf den Borsten einer Drahtbürste.
    »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht«, sagte Rowan. »Das Neuroinduktionsfeld blockiert einen Großteil der Schmerzen.«
    »Verdammt.« Der zweite leere schimmernde Würfel wirkte so einladend wie ein Befragungsraum der Inquisition. »Muss ich …«
    Rowan schürzte die Lippen. »Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird. Es sei denn, Sie sind infiziert, was aber unwahrscheinlich ist.«
    »Ich bin dem Erreger seit zwei Tagen ausgesetzt, fast schon drei.«
    »Wir haben es hier nicht mit den Pocken zu tun, Doktor. Wenn Sie nicht gerade Körperflüssigkeiten mit dem Mann ausgetauscht oder seine Exkremente als Kompost benutzt haben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass Sie nicht infiziert sind. Bei der Durchsuchung Ihres Apartments ist jedenfalls nichts zutage getreten … obwohl es Sie vielleicht interessiert, dass Ihre Katze einen Bandwurm hat.«
    Sie haben mein Apartment durchsucht. Desjardins versuchte, Empörung darüber zu empfinden. Doch er verspürte nur Erleichterung: Ich bin nicht infiziert. Ich bin nicht infiziert …
    »Allerdings werden Sie sich derselben Gentherapie unterziehen müssen«, sagte Rowan. »Damit Sie auch gesund bleiben . Leider ist diese Therapie ziemlich aufwändig.«
    » Wie aufwändig?«
    Sie wusste genau, was er wissen wollte.
    »Zu aufwändig, um neun Milliarden Menschen immunisieren zu können. Jedenfalls nicht mehr rechtzeitig. Bei einem Großteil der Weltbevölkerung ist bisher nicht einmal das Erbgut entschlüsselt worden. Und selbst wenn uns das gelingen sollte, gibt es immer noch … andere Spezies. Wir können nicht die gesamte Biosphäre genetisch verändern.«
    Das hatte er sich natürlich schon gedacht. Dennoch traf es ihn wie ein Schlag.
    »Eindämmung ist also unsere einzige Option«,

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