Mahlstrom
Server hat sie sofort abgeriegelt und einen ganzen Haufen Warnmeldungen an mögliche Überträger geschickt. Soweit ich feststellen kann, sind die inzwischen ebenfalls von der Außenwelt abgeschnitten. Die sekundären Kontakte werden bereits in diesem Augenblick in Kenntnis gesetzt. Ich verfolge die Warnmeldungen zurück, und du versuchst über diesen Erreger herauszufinden, was du kannst.«
»In Ordnung.«
Er gab Befehle ein. Die Anzeige seiner Konsole wurde auf ein angenehmes Gemisch aus Grautönen mit niedrigem Kontrast heruntergefahren, das ihn nicht ablenken würde, während seine optischen Inlays von grellen Primärfarben überflutet wurden. Der Mahlstrom. Er klinkte sich in den Mahlstrom ein. All die NMDA-Rezeptoren, die sorgfältig dosierten Psychopharmaka, die achtzehn Prozent seines Okzipitallappens, die neu verknüpft worden waren, um die Mustererkennung zu optimieren – all das war dort drin so gut wie nutzlos. Was nützten einem Reflexe, die um magere zweihundert Prozent beschleunigt waren, gegen Geschöpfe, deren Leben mit solch rasanter Geschwindigkeit ablief, dass sie etwa alle zehn Sekunden eine neue Unterart bildeten?
Möglicherweise nicht viel. Aber er liebte Herausforderungen.
Er rief eine Echtzeitdarstellung der örtlichen Metabase auf: ein Radius aus 128 Knotenpunkten, dessen Mittelpunkt der hauseigene Server des Cincinnati General bildete. Auf der Anzeige waren logistische Entfernungen dargestellt, keine echten: Durch einen zusätzlichen Server in der Kette konnte ein System, das sich in der unmittelbaren Nachbarschaft befand, weiter entfernt sein als Budapest.
Eine Reihe winziger Lichtsignale flammten überall auf der Anzeige auf, nach dem Zeitpunkt ihres Aufleuchtens in unterschiedlichen Farben dargestellt. CinciGen schwelte in der Mitte, so rot, dass es schon beinahe in den Infrarotbereich hineinreichte, ein Epizentrum, das bereits über zehn Minuten alt war. Ein Stück weit davon entfernt befanden sich jüngere Herde, die orangefarben oder gelb waren: Pharmafirmen, andere Krankenhäuser, Krematorien, die innerhalb eines kritischen Zeitraums Lieferungen von Cinci erhalten hatten. Noch weiter draußen sprenkelten grellweiße Sterne die Oberfläche eines sich ausweitenden Wirkungskreises: die sekundären und tertiären Überträger, Unternehmen, Labore und Gesellschaften, und Menschen, die vor kurzem Kontakt mit Unternehmen, Laboren und Gesellschaften hatten, und Menschen, die …
Der hauseigene Server von CinciGen hatte Seuchenwarnmeldungen an all seine Freunde im Mahlstrom geschickt. Jeder dieser Freunde hatte die Warnung vervielfältigt und weitergereicht, eine sich endlos vermehrende Kette von Sirenen. Keiner der Bearbeiter war ein Mensch gewesen. Bis jetzt hatte in dem ganzen Prozess noch kein Mensch eine Rolle gespielt. Das war der Zweck des Ganzen. Menschen wären nicht schnell genug gewesen, um noch vor dem Mittagessen tausend Einrichtungen abzuriegeln.
Und seit der Enzephalitis-Pandemie von '38 hatte sich auch kein Mensch mehr über solche extremen Maßnahmen beschwert.
Jovellanos schaltete sich zu. »Falscher Alarm.«
»Was?«
Ein Bild wurde in der unteren rechten Ecke von Desjardins' Blickfeld eingeblendet:
XXX KOSTENLOSE HARDCORE XXX
BoNDAGE SI22
TAUS NDE HEISSER S MS
BDSM NEKRO-WASSERSpieLE
PEDOsNUFF
XXX MINDESTALTER 11 JA34.03 XXX
»Das ist es, was den Alarm ausgelöst hat«, sagte Jovellanos. »Ein Keimsucher des Krankenhauses hat es bei der Routinekontrolle gefunden.«
»Einzelheiten.«
»Der Keimsucher entnimmt Proben aus den Filtern des Belüftungssystems und kultiviert sie, um möglichen Krankheitserregern auf die Spur zu kommen. Diese spezielle Kultur ist innerhalb von zwei Sekunden von null auf dreißig Prozent angewachsen. Was natürlich unmöglich ist, selbst für Krankenhauserreger.«
Aber das System hatte das nicht gewusst. Irgendein Bannervirus hatte sich in den visuellen Datenspeicher hochgeladen, und der Keimsucher hatte nur seine Pflicht getan und nach dunklen Flecken auf hellem Hintergrund gesucht. Wer wollte es ihm zum Vorwurf machen, dass er nicht lesen konnte?
»Das ist es? Bist du dir sicher?«, fragte Desjardins.
»Ich habe sämtliche Informationen überprüft: keine nachweisbaren Giftstoffe, Eiweiße oder sonst irgendetwas. Das System wollte einfach auf Nummer sicher gehen. Es hat sich gedacht, dass etwas, das sich so schnell vermehrt, einfach eine Bedrohung darstellen muss, und da hast du's.«
»Und Cinci weiß noch
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