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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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möglicherweise überhaupt nie.
    »Kommen Sie schon, Sie brauchen seine Erlaubnis nicht«, sagte Desjardins.
    »Sie können etwas sehen?« Eigentlich hätte es für die Augen eines Normalsterblichen zu dunkel sein müssen, um ihre Bewegungen wahrnehmen zu können.
    »Er ist ein Gesetzesbrecher «, erinnerte Lubin sie.
    »Na und?«
    »Optimierte Mustererkennung. Er sieht eigentlich nicht besser als andere Landratten, aber er kann die wenigen Informationen, die hereinkommen, besser verarbei ten.«
    Clarke wandte sich wieder Desjardins zu und beugte sich dicht an ihn heran. »Sie haben gesagt, Sie wüssten Bescheid.«
    »Ja«, sagte er.
    »Dann erzählen Sie es mir«, flüsterte sie.
    »Hören Sie, das ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Ihr Freund hier ist ziemlich instabil, und falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, wir sind beide …«
    »Eigentlich«, sagte Clarke, »glaube ich, dass Ken heute nicht ganz er selbst ist. Sonst wären wir beide längst tot.«
    Desjardins schüttelte den Kopf und schluckte.
    »Also gut«, sagte Clarke. »Kennen Sie das Märchen von Scheherazade? Wissen Sie, warum sie ihre Geschichten erzählt hat?«
    »Oh, verdammt«, sagte Desjardins schwach.
    Die Meerjungfrau lächelte. »Erzählen Sie uns eine Geschichte, Achilles …«

Adaptiver Zusammenbruch
    Lubin hörte zu, während Desjardins die Zusammenhänge erklärte. Der Gesetzesbrecher hatte seit ihrer letzten Begegnung offenbar einige Recherchen betrieben.
    »Die ersten Mutationen waren sicher recht einfach«, sagte er gerade. »Die Gele versuchten, ßehemoth zu verbreiten, und diese Lenie Clarke- Variable war in irgendeiner Personalakte als Überträgerin markiert worden. Jedes Virus, das auch nur Ihren Namen in seinem Quellcode trug, hätte also einen Vorteil besessen. Zumindest am Anfang. Die Gele hätten ihn für eine wichtige Information gehalten und ihn passieren lassen. Und selbst wenn sie ihren Fehler irgendwann erkannten, brachte das die Internetfauna nur dazu, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Und die Fauna ist deutlich schneller als jedes fleischliche Wesen. Für sie sind wir wie Eiszeiten oder die Kontinentaldrift. Wir treiben zwar ihre Evolution voran, aber wir selbst sind sehr langsam. Sie haben alle Zeit der Welt, um sich Gegenmaßnahmen zu überlegen. Ein paar von ihnen sind also eine Symbiose eingegangen, so was wie ein … Lenie-Clarke-Unterstützungsnetzwerk. Und dafür erhalten sie Schutz von den Gelen. Das ist so, als hätte eine Makrele einen Haufen Haie als Leibwächter. Das verschafft ihnen einen riesigen Wettbewerbsvorteil. Also springen alle auf den Zug mit auf.«
    Er blickte Clarke durch die Dunkelheit hindurch an. »Sie haben da wirklich etwas Erstaunliches in Gang gesetzt, wissen Sie. Gruppenselektion ist auch so schon selten genug, aber Sie haben tatsächlich einen Haufen unabhängiger Lebensformen dazu gebracht, nun ja, eine Art … kolonialen Superorganismus zu bilden. Individuen, die sich wie einzelne Körperteile verhalten. Manche von ihnen tun nichts anderes, als Botschaften zu verschicken. Man könnte sie wohl als … lebende Neurotransmitter bezeichnen. Ganze Geschlechter haben sich herausgebildet, allein für die Unterhaltung mit den Menschen. Deswegen ist es niemandem gelungen, das Mistvieh aufzuspüren. Wir haben alle nach Turing-Programmen und dem Code von neuronalen Netzen gesucht und nichts gefunden. Dabei lag alles in den Genen. Es ist nur niemandem aufgefallen.«
    Er verstummte.
    »Nein.« Clarke schüttelte den Kopf. »Das erklärt gar nichts.« Sie war während seines Vortrags sehr schweigsam geworden.
    »Es erklärt alles«, gab Desjardins zurück. »Es …«
    »Ich bin also nur eine Art Passwort. Ist es das?« Sie beugte sich dicht an ihn heran. »Nur ein … ein Schlüssel, um an diesen verdammten Käsehirnen vorbei zu kommen? Was ist mit Yankton, Sie Arschloch? Und mit diesem ganzen Meerjungfrau der Apokalypse- Schwachsinn? Und all den Leuten mit den falschen Augenkappen, die auf Schritt und Tritt versuchen, mir das Blut auszusaugen? Wo sind die hergekommen?«
    »D-das ist alles das Gleiche«, stammelte Desjardins. »Die Anemone hat das Mem einfach auf alle möglichen Weisen verbreitet.«
    »Nein, das reicht nicht aus. Überlegen Sie sich etwas anderes.«
    »Aber ich kann nicht …«
    »Überlegen Sie sich etwas anderes!«
    »So etwas passiert ständig, verdammt noch mal! Leute schnallen sich Bomben auf den Rücken oder setzen in Warteräumen Sarin frei oder gehen eines

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