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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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knurrte er und schlug ihr ins Gesicht.
    Irgendetwas knackte tief in ihrem Kieferknochen. Sie geriet ins Taumeln. Salzige Wärme füllte ihren Mund. Gleich würde der Schmerz einsetzen.
    Doch im Augenblick verspürte sie nur eine unerwartete, lähmende Furcht, die nach langer Zeit wiedergekehrt war.
    Nein , dachte sie. Du bist stärker als er. Du bist stärker, als er es jemals gewesen ist. Du musst dir diese ganze verdammte Scheiße nicht einen Moment länger bieten lassen. Du wirst ihm eine Lektion erteilen, die er verdammt noch mal nicht vergessen wird. Drück ihm einfach den Knüppel in den Bauch und schau zu, wie er expl …
    »Lenie, nein!«, rief Tracy. Einen Moment abgelenkt, blickte Clarke zu dem Mädchen hinüber.
    Ein Fels krachte gegen ihre Schläfe, und sie verlor den Knüppel. Er flog in hohem Bogen davon, durch eine Welt, die sich unaufhaltsam seitwärts neigte. Die rauen Holzplanken des Fußbodens der Blockhütte trieben Splitter in Clarkes Gesicht. Irgendwo, in einem unglaublich weit entfernten Teil der Welt, schrie ein Kind: Papa …
    »Papa«, murmelte Clarke mit aufgeplatzten Lippen. Es hatte viele Jahre gedauert, doch nun war er endlich zurückgekehrt. Und eigentlich hatte sich gar nichts verändert.
    Es war meine eigene Schuld , dachte sie dumpf. Ich habe es förmlich herausgefordert.
    Wenn sie auch nur einen Augenblick erneut durchleben könnte, dann wusste sie, dass sie dieses Mal alles richtig machen würde. Sie würde den Knüppel festhalten und es ihm heimzahlen, wie diesem Bullen in West Bend. Den habe ich richtig erwischt, sein ganzer Bauch war nur noch ein einziger Brei. Es war nichts mehr übrig außer der blutenden Wirbelsäule, die beide Enden zusammenhielt. Danach hat er nicht mehr den starken Mann markiert, war nicht mehr viel von ihm übrig, hahaha …
    Aber das war damals gewesen. Und das war heute. Eine große, raue Hand auf ihrer Schulter drehte sie auf den Rücken. »Sie perverses Stück Scheiße!« , brüllte das Ungeheuer. »Wenn Sie meine Tochter noch einmal anfassen, bringe ich Sie um!« Er zerrte sie vom Boden hoch und schleuderte sie gegen eine Wand. Seine Tochter weinte irgendwo im Hintergrund. Seine eigene Tochter, aber das kümmerte ihn natürlich nicht, er wollte bloß …
    Sie zappelte und wand sich, und der nächste Schlag glitt von ihrer Schulter ab, und plötzlich war sie frei. Die offene Tür befand sich direkt vor ihr und dahinter die sichere Dunkelheit. Ungeheuer können nicht im Dunkeln sehen, aber ich kann es …
    Sie stolperte über irgendetwas und ging erneut zu Boden, doch sie blieb nicht liegen, sondern kroch durch die Tür hinaus wie eine Krabbe, die die Hälfte ihrer Beine verloren hatte, während Papa dicht hinter ihr brüllte und polterte.
    Sie drückte sich mit der Hand vom Boden hoch und berührte dabei etwas … der Knüppel, er ist bis hierher geflogen, jetzt habe ich ihn, jetzt kann ich es ihm zeigen …
    … doch sie tat es nicht. Sie packte nur den Knüppel und lief davon, während sie sich vor Furcht übergab, angewidert von ihrer eigenen Feigheit. Sie lief in die einladende Nacht hinaus, wo alles im Mondschein hell silbrig und grau aussah. Sie lief zum See und dachte nicht einmal daran, ihre Gesichtsversiegelung zu schließen, bis die ganze Welt nur noch aus Gischt und Eiswasser bestand.
    Sie sank zum Grund des Sees hinab und kämpfte dabei gegen das Wasser, als sei es ebenfalls ein Feind. Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bis der Grund in Sicht kam. Schließlich war es nur ein See, und er war nicht tief genug. Papa würde zum Ufer hinunterkommen und mit den Händen nach ihr greifen …
    Sie hämmerte mit den Fäusten auf den Untergrund ein. Mit Wasser vollgesogener Schlick wirbelte um sie herum auf. Tagelang, jahrelang schien sie auf die Steine einzuprügeln, während ein Teil von ihr angesichts ihrer eigenen Dummheit ungläubig den Kopf schüttelte.
    Schließlich hatte sie nicht einmal mehr genug Kraft, um in Panik zu geraten.
    Ich kann hier nicht bleiben.
    Ihr Kiefer fühlte sich in seinem Gelenk steif und geschwollen an.
    Zumindest bin ich in der Dunkelheit im Vorteil. Er wird die Blockhütte erst bei Tagesanbruch verlassen.
    Etwas Glattes, Künstliches lag neben ihr, seine Umrisse wirkten durch die Entfernung und den wieder herabgesunkenen Bodensatz verschwommen. Der Knüppel. Sie musste ihn fallen gelassen haben, als sie ihre Kapuze versiegelt hatte. Sie steckte ihn wieder in sein Futteral.
    Nicht dass er mir beim letzten Mal viel

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