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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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auf.
    »Papa« , flüsterte sie noch einmal, wagte es jedoch nicht, lauter zu sprechen. Wagte nicht, zu schreien.
    Das Mondlicht war wieder da.
    Am anderen Ende der Blockhütte öffnete sich geräuschlos die Tür. Lenie kam herein. Selbst im Dunkeln wirkten ihre Umrisse zu glatt und leer. Es sah aus, als hätte sie all ihre Kleider ausgezogen und darunter war nur Schwärze zum Vorschein gekommen.
    In einer Hand hielt sie einen Gegenstand. Die andere führte sie an die Lippen.
    »Psst«, sagte sie.

Ungeheuer
    Das Ungeheuer hatte Tracy in den Klauen. In der Dunkelheit an sein Opfer geschmiegt, wähnte es sich in Sicherheit, doch Lenie Clarke konnte es so klar und deutlich sehen wie am helllichten Tag.
    Sie ging leise durch die Blockhütte und hinterließ dabei Fußabdrücke aus Eiswasser. Sie hatte die restlichen Teile ihrer Taucherhaut angezogen, um die Kälte zu vertreiben. Ein reinigendes Feuer durchströmte ihre Gliedmaßen – heißes Blut, das sich einen Weg durch erfrorenes Fleisch brannte.
    Sie mochte das Gefühl.
    Tracy lag in den Armen ihres Vaters und blickte sie an. Ihre Augen waren groß wie Untertassen. Leuchtfeuer voller lähmender Furcht, die sie flehentlich ansahen.
    Schon gut, meine kleine Freundin. Er kommt jetzt nicht mehr damit durch.
    Erster Schritt …
    Clarke beugte sich vor.
    … Befreiung der Geisel.
    Sie zog die Bettdecke beiseite. Das Ungeheuer öffnete die Augen und blinzelte verwirrt in eine Dunkelheit, die sich plötzlich gegen es gewendet hatte. Tracy lag vollkommen reglos da und wagte es immer noch nicht, sich zu rühren.
    Schlafanzug , dachte Clarke spöttisch. Wie rührend. Wenn Besuch da ist, zeigt er sich von seiner besten Säte.
    Doch diese Besucherin ließ sich davon nicht hinters Licht führen.
    Geschwind wie eine Schlange packte sie Tracy am Handgelenk. Dann war das Kind an ihrer Seite, in Sicherheit, und Clarke legte beschützend einen Arm um die Schulter des Mädchens.
    Tracy heulte los.
    »Was, zum Teufel …« Das Ungeheuer streckte die Hand nach dem Leuchtstab neben dem Feldbett aus. Gut. Sollte er ruhig Licht machen, damit er sehen konnte, dass sich das Blatt gewendet hatte …
    Plötzlich war die Bockhütte in grelles Licht getaucht, das sie einen Moment lang blendete, während sich ihre Augenkappen anpassten. Gordon stand vom Feldbett auf. Clarke hob den Gasknüppel. »Keine Bewegung!«
    »Papa!« , rief Tracy.
    Das Ungeheuer breitete beschwichtigend die Hände aus, um Zeit zu gewinnen. »Lenie … hören Sie. Ich weiß nicht, was Sie wollen …«
    »Tatsächlich?« Sie hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so stark gefühlt. »Aber ich weiß verflucht noch mal, was Sie wollen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Hören Sie, lassen Sie Tracy los, okay? Was immer es ist, es gibt keinen Grund, sie da mit hineinzuziehen …«
    Clarke trat einen Schritt vor und zog die wimmernde Tracy mit sich. » Kein Grund, sie mit hineinzuziehen? Dafür ist es ein wenig spät, Sie Arschloch. Dafür ist es, verdammt noch mal, viel zu spät.«
    Das Ungeheuer hielt einen Moment inne. Dann sagte es langsam, als sei ihm gerade eine Erkenntnis gekommen: »Was meinen Sie … Glauben Sie etwa …«
    Clarke lachte. »Guter Scherz.«
    »Sie denken doch nicht etwa …«
    Tracy versuchte, sich zu befreien. »Papa, hilf mir !«
    Clarke hielt sie fest. »Schon gut, Tracy. Er kann dir nichts mehr tun.«
    Das Ungeheuer trat einen Schritt vor. »Alles in Ordnung, Limaböhnchen. Sie versteht einfach nur nicht …«
    »Halten Sie den Mund! Halten Sie verdammt noch mal den Mund!«
    Er trat einen Schritt zurück, die Hände abwehrend erhoben. »Schon gut, schon gut … bitte, tun Sie ihr nichts …«
    »Ich verstehe sehr gut, Arschloch. Ich verstehe viel besser, als Sie denken.«
    »Das ist verrückt, Lenie. Schauen Sie sie sich doch nur mal an. Hat sie etwa vor mir Angst? Sieht es so aus, als wollte sie gerettet werden? Benutzen Sie doch mal Ihre Augen! Wie in Gottes Namen kommen Sie darauf …«
    »Denken Sie etwa, ich weiß nicht, was hier vorgeht? Glauben Sie, ich hätte vergessen, was für ein Gefühl das ist, wenn man es einfach nicht besser weiß? Denken Sie, nur weil Sie Ihre Tochter einer Gehirnwäsche unterzogen haben, damit sie glaubt, das sei alles ganz normal, lasse ich mich …«
    »Ich habe sie nicht angerührt!«
    Tracy riss sich los und lief davon. Clarke verlor kurzzeitig das Gleichgewicht und griff nach ihr.
    Doch plötzlich stand Gordon zwischen ihnen.
    »Sie verdammte Psychopathin«,

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