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Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simenon
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Ausgang. Jaja näherte sich mit einem lauten Seufzer der Erleichterung.
    »Sind sie das? War er tatsächlich verheiratet?«
    Sylvie starrte noch immer auf die nun fast ganz zugeschüttete Grube.
    Auch Boutigues wurde immer ungeduldiger. Er wagte es nicht, näher heranzukommen und das Gespräch mit anzuhören.
    »Hat sein Sohn den Sarg bezahlt?«
    Es war zu spüren, daß Jaja sehr unzufrieden war.
    »Eine komische Beerdigung!« sagte sie. »Ich weiß nicht warum, aber so hab ich sie mir nicht vorgestellt. Ich konnte nicht mal weinen …«
    Jetzt erst stiegen die Gefühle in ihr auf. Sie ließ ihren Blick über den Friedhof schweifen, und ihr wurde ganz schrecklich zumute.
    »Es war nicht einmal richtig traurig. Es war, als …«
    »… als was?«
    »Ich weiß nicht … Als wäre es gar keine richtige Beerdigung gewesen.«
    Sie unterdrückte ein Schluchzen, trocknete sich die Augen und wandte sich an Sylvie.
    »Komm, Joseph wartet auf uns.«.
    Vor seinem Häuschen saß der Friedhofswärter und zerlegte einen Aal.

    »Wie denken Sie darüber?«
    Boutigues war besorgt. Auch er hatte das unbestimmte Gefühl, daß etwas nicht in Ordnung war. Maigret zündete sich seine Pfeife an.
    »Ich denke, daß William Brown ermordet worden ist«, antwortete er.
    »Das steht fest.«
    Sie gingen durch die Straßen. Über den Auslagen der Geschäfte waren die Sonnendächer aufgespannt. Der Friseur vom Morgen saß vor seiner Ladentür und las Zeitung. Auf der Place Macé standen die zwei Frauen aus Cannes mit Joseph und warteten auf den Bus.
    »Setzen wir uns auf die Terrasse und trinken was?« schlug Boutigues vor.
    Maigret war einverstanden. Lähmende Müdigkeit hatte ihn überfallen. Eine Flut von Bildern zog vor seinen Augen vorbei, und er versuchte nicht einmal, die ineinander verschwimmenden Szenen zu ordnen.
    Sie saßen auf der Terrasse des Café Glacier, und er schloß halb die Augen. Die Sonne brannte ihm auf den Lidern, und seine Wimpern bildeten ein Schattengitter, durch das Menschen und Dinge ein unwirkliches Aussehen annahmen.
    Er sah, wie Joseph der dicken Jaja half, in den Bus zu klettern. Ein kleiner, ganz in Weiß gekleideter Herr mit einem Tropenhelm schlenderte langsam vorbei. Er führte einen Chow-Chow mit violetter Zunge an der Leine.
    Andere Bilder mischten sich in die Wirklichkeit: William Brown am Steuer seines altmodischen Autos, wie er die beiden Frauen von Geschäft zu Geschäft fuhr, unter dem Mantel nur im Pyjama und mit unrasiertem Kinn.
    Sein Sohn war jetzt wieder im Provençal, in seiner mit Stilmöbeln eingerichteten Suite, und diktierte Telegramme, ging ans Telefon, lief mit langen, regelmäßigen und steifen Schritten durchs Zimmer.
    »Ein merkwürdiger Fall!« seufzte Boutigues, der das Schweigen nicht ertrug. Er nahm das eine Bein vom anderen und schlug das andere wieder darüber. »Dumm, daß sie vergessen haben, den Organisten zu benachrichtigen.«
    »Ja! William Brown ist ermordet worden …«
    Maigret wiederholte diesen Satz für sich selbst, um sich davon zu überzeugen, daß trotz allem eine Tragödie stattgefunden hatte.
    Sein Kragen drückte ihn, und auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Er betrachtete genießerisch das große Stück Eis, das in seinem Glas schwamm.
    Brown war ermordet worden. Er hatte die Villa verlassen wie jeden Monat, um nach Cannes zu fahren, und er hatte dort sein Auto bei der Werkstatt abgestellt. Er hatte in einer Bank oder bei einem Geschäftsmann das Geld abgeholt, das ihm sein Sohn monatlich überwies. Und dann hatte er einige Tage in der Liberty Bar verbracht.
    Einige Tage in dumpfer Trägheit, wie sie auch auf Maigret gerade lastete. Tage, in denen er in Pantoffeln von einem Stuhl zum anderen schlurfte, mit Jaja aß und trank und Sylvie zusah, wie sie halbnackt herumlief …
    Am Freitagmittag um zwei verläßt er das Haus, und um fünf Uhr holt er seinen Wagen wieder ab. Eine Viertelstunde danach bricht er tödlich verletzt auf der Außentreppe der Villa zusammen, seine Frauen glauben, er sei besoffen, und beschimpfen ihn aus dem Fenster. Er hat ungefähr zweitausend Francs bei sich, wie immer …
    Maigret hat kein Wort gesprochen. Er hat all das nur bei sich gedacht und dabei hinter dem dunklen Gitter seiner Wimpern den vorüberwandelnden Passanten zugeschaut.
    Boutigues ist es, der jetzt vor sich hinmurmelt:
    »Ich möchte mal wissen, wer an seinem Tod ein Interesse haben konnte!«
    Das war die schwierige Frage. Seine beiden Frauen? Mußten die nicht im

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