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Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simenon
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Gegenteil daran interessiert sein, daß er so lang wie möglich lebte, nachdem sie ja von den zweitausend Francs, die er jeden Monat brachte, noch etwas zur Seite legen konnten?
    Die zwei Frauen in Cannes? Sie würden einen ihrer seltenen Gäste verlieren, der jeden Monat eine Woche lang die Lebensmittel finanzierte und der der einen Seidenstrümpfe, der anderen die Strom- und Gasrechnung zahlte.
    Nein, ein materielles Interesse konnte allerhöchstens Harry Brown haben, da er nun, wo sein Vater tot war, die Monatsrate von fünftausend Francs nicht mehr zahlen mußte.
    Aber was sind schon fünftausend Francs für eine Familie, die ganze Schiffsladungen Wolle verkauft?
    Boutigues sagte resigniert:
    »Ich glaube langsam, wie die Leute hier, daß es sich doch um einen Spionagefall handelt.«
    »Ober! Noch mal dasselbe«, sagte Maigret.
    Er bereut es sofort und hätte die Bestellung gern zurückgenommen – aber er bringt die Kraft dazu nicht auf …
    Er möchte seine Schwäche nicht eingestehen. Später wird er sich an diese Stunde in allen Einzelheiten erinnern, an die Terrasse des Café Glacier, an die Place Macé …
    Kaum je ist er so schwach gewesen. So total schwach! Die Luft ist heiß. Ein kleines Mädchen verkauft an der Straßenecke Mimosen, sie hat nackte Füße und braungebrannte Beine.
    Ein mächtiges graues Kabriolett mit blitzenden Nickelteilen kommt geräuschlos vorbei. Es fährt drei junge Frauen im Sommerhosenanzug und einen jungen Mann mit einem kleinen Schnurrbärtchen, Typ jugendlicher Liebhaber, zum Strand.
    Alles strahlt Ferienstimmung aus. Auch der Hafen in Cannes tags zuvor bei Sonnenuntergang sah nach Ferien aus, vor allem die ›Ardena‹, deren Besitzer sich vor den jungen Mädchen mit den verführerischen Körpern aufspielte.
    Maigret ist wie in Paris schwarz gekleidet, und seine Melone ist hier fehl am Platz.
    Vor seinen Augen verkündet ein Plakat in blauen Buchstaben: Casino Juan-les-Pins – Großer Galaabend mit Goldregen.
    Ganz langsam schmilzt das Eis in dem opalfarbenen Glas.
    Urlaub! Über den Rand eines grün oder orange gestrichenen Bootes gebeugt, in den schillernden Grund des Wassers hinunterschauen … Unter einer Pinie Mittagsschlaf machen, umsummt von dicken Fliegen …
    Vor allem aber sich nicht um einen Fremden kümmern müssen, der zufällig einen Messerstich in den Rücken bekommen hat!
    Und nicht um Frauen, die Maigret gestern noch nicht gekannt hat und die ihn jetzt verfolgen, als hätte er selbst mit ihnen geschlafen …
    Was für ein scheußlicher Beruf! Es riecht nach aufgeweichtem Asphalt. Boutigues hat eine neue rote Nelke im Aufschlag seines hellen Jacketts.
    William Brown – nun ist er beerdigt. Was will er noch mehr? Was soll Maigret hier eigentlich noch? War er es, der eine der größten Yachten in Europa besessen hat? Hat er sich mit den Damen Martini eingelassen, mit der Alten mit dem Gipsgesicht und der Jungen mit den überquellenden Formen? Hat er sich faul und glücklich in der zwielichtigen Atmosphäre der Liberty Bar geaalt?
    Sanfte warme Windstöße fächeln einem die Wangen. Die Leute, die vorübergehen, machen Urlaub. Hier ist alles in Urlaub. Es sieht aus, als sei das ganze Leben ein einziger Urlaub!
    Auch Boutigues sieht so aus. Boutigues, der nicht stillhalten kann und mit sich selber redet:
    »Eigentlich bin ich froh, daß ich nicht die Verantwortung habe für …«
    Maigret hört auf, die Welt zwischen seinen Wimpern hindurch zu betrachten, und wendet seinem Begleiter sein von Hitze und Schläfrigkeit gerötetes Gesicht zu.
    Sein Blick ist noch etwas verschwommen, aber in wenigen Sekunden hat er wieder die gewohnte Klarheit angenommen.
    »So ist es«, sagt er und steht auf. »Ober! Was macht das?«
    »Lassen Sie nur.«
    »Keinesfalls.«
    Er wirft ein paar Scheine auf den Tisch.
    Ja, an diese Stunde wird er sich erinnern, denn offen gesagt war er in Versuchung gewesen, sich nicht mehr weiter um den Fall zu kümmern, die Dinge laufen zu lassen, wie sie liefen, so wie die anderen es taten, alles zu nehmen, wie es eben kam.
    Erst recht bei diesem Wetter!
    »Sie wollen gehen? Haben Sie einen Plan?«
    Nein, sein Kopf ist zu voll von Sonne und Trägheit, er hat nicht die geringste Spur von einem Plan. Und da er nicht lügen will, sagt er einfach:
    »William Brown ist ermordet worden.«
    Bei sich selbst denkt er: Was zum Teufel geht das hier irgendwen an!
    All die Leute, die sich in der Sonne wärmen wie die Eidechsen und die heute abend die

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