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Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simenon
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Kommissars war unmöglich zu enträtseln. Vielleicht besagte er gar nichts, vielleicht war er aber im Gegenteil äußerst gefährlich …
    »Eine Frage, Monsieur Brown – Monsieur Harry Brown, wie ich an Ihrem Gepäck sehe. Wo waren Sie letzten Mittwoch?«
    Brown mußte erst zweimal der Länge nach das Zimmer durchmessen.
    »Was glauben Sie!«
    »Ich glaube gar nichts. Ich frage Sie nur, wo Sie waren.«
    »Ist das von Bedeutung?«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
    »Ich war in Marseille, bei der Ankunft der ›Glasco‹, ein Schiff mit Wolle aus Australien. Es liegt jetzt in Amsterdam und kann wegen des Hafenarbeiterstreiks die Ladung nicht löschen.«
    »Haben Sie Ihren Vater besucht?«
    »Nein, ich habe ihn nicht besucht.«
    »Noch eine Frage, die letzte. Wer zahlte Ihrem Vater eine Pension? Und wie hoch war sie?«
    »Ich. Fünftausend Francs im Monat. Wollen Sie das etwa den Zeitungen erzählen?«
    Im Nachbarzimmer war immer noch das Klappern der Schreibmaschine zu hören, das Klingelzeichen am Ende der Zeile und das Anschlagen des Wagens.
    Maigret stand auf und nahm seinen Hut.
    »Ich danke Ihnen.«
    Brown war sprachlos.
    »Das war alles?«
    »Das war alles. Ich danke Ihnen.«
    Wieder läutete das Telefon, aber Brown schien gar nicht daran zu denken, den Hörer abzunehmen. Er sah ungläubig zu, wie Maigret zur Tür ging.
    Dann nahm er betreten einen Briefumschlag vom Tisch.
    »Ich hatte für die Polizei …«
    Maigret war bereits im Flur. Wenig später ging er die prunkvolle Treppe hinunter und durch die Halle, geleitet von einem livrierten Hoteldiener.
    Um neun Uhr aß er allein im Speisesaal im Hotel Bacon und blätterte dabei in den Telefonbüchern. Danach verlangte er hintereinander drei Nummern in Cannes, und erst bei der dritten bekam er die Antwort:
    »Ja, das ist hier nebenan.«
    »Sehr gut! Würden Sie bitte so freundlich sein und Madame Jaja ausrichten, daß morgen früh um sieben in Antibes die Beerdigung stattfindet … Ja, die Beerdigung. Sie weiß schon, worum es sich handelt.«
    Er ging ein paarmal in seinem Zimmer auf und ab. Vom Fenster aus konnte er in fünfhundert Metern Entfernung die weiße Villa von Brown sehen. Zwei Fenster waren erleuchtet.
    Sollte er noch …?
    Nein. Er brauchte jetzt Schlaf.
    »Sie haben doch Telefon, oder?«
    »Ja, Herr Kommissar. Soll ich für Sie anrufen?«
    Das brave Mädchen mit dem weißen Häubchen, das immer wie ein Mäuschen ins Zimmer trippelte!
    »Monsieur! Eine der Damen ist am Apparat.«
    Maigret nahm den Hörer entgegen.
    »Hallo, hier Kommissar Maigret … Ja. Ich habe nicht mehr kommen können. Die Beerdigung ist morgen früh um sieben Uhr … Wie? Nein, nicht mehr heute abend. Ich habe noch zu tun. Gute Nacht, Madame.«
    Es mußte die Alte gewesen sein. Sicher lief sie jetzt ganz aufgelöst zu ihrer Tochter, um ihr die Neuigkeit zu überbringen. Dann würden die beiden beraten, was sie tun sollten.
    Die Besitzerin des Hotel Bacon kam ins Zimmer, honigsüß lächelnd.
    »Hat Ihnen die Bouillabaisse geschmeckt? Ich habe sie eigens für Sie gemacht, weil …«
    Die Bouillabaisse … Maigret kramte in seinem Gedächtnis.
    »O ja. Ausgezeichnet! Ganz famos!« beeilte er sich mit einem höflichen Lächeln zu versichern.
    Aber er konnte sich nicht erinnern. Die Bouillabaisse war in einem Nebelschleier von Nebensächlichkeiten verschwunden, wie Boutigues, der Autobus, die Werkstatt …
    Was kulinarische Einzelheiten betraf, so war nur noch der Hammelbraten bei Jaja übrig und der Salat, der nach Knoblauch roch.
    Nein, noch etwas: der süßliche Geruch des Portweins im Provençal, den er nicht getrunken hatte und der sich mit dem ebenfalls etwas fad-süßlichen Geruch von Browns Toilettenwasser mischte.
    »Lassen Sie mir eine Flasche Vittel bringen«, sagte er, als er die Treppe hinaufstieg.

5
    William Browns Beerdigung
    D
    ie Sonne verbreitete bereits ihren mächtigen Glanz. In den Straßen der Stadt waren noch alle Fensterläden geschlossen und die Gehsteige menschenleer, aber das Leben auf dem Markt hatte schon begonnen. Ein selbstverständliches, unbekümmertes Leben von Menschen, die früh aufstehen und keine Eile haben, die erst nach und nach geschäftig werden und einstweilen noch auf italienisch oder französisch ihren Morgenklatsch halten.
    In der Mitte des Marktplatzes erhebt sich das Rathaus mit seiner ockerfarbenen Fassade und seiner von zwei Seiten aufsteigenden Außentreppe. In seinem Untergeschoß befindet sich die Leichenhalle.
    Zehn

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