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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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legen.
    Noch eine, die man ausfindig machen musste. Bei der Sitte war sie nicht bekannt. Was wohl aus ihr geworden war? Wusste sie, dass ihr Mann tot war? Und wenn sie es wusste, warum war sie nicht gekommen, um die Leiche zu identifizieren, nachdem das Foto in den Zeitungen erschienen war?
    Möglich, dass die anderen ihn nicht wiedererkannt hatten. Aber sie?
    Musste man annehmen, dass die Mörder sie entführt hatten? Sie hatte nicht in dem gelben Auto gesessen, als die Leiche an der Place de la Concorde abgeladen worden war.
    »Ich wette«, sagte Maigret, der seinen Gedanken nachhing, »dass wir sie eines Tages auf dem Land wiederfinden. Es ist unglaublich, wie viele Leute, wenn es Ärger gibt, ganz plötzlich ein Verlangen nach Landluft haben und sich dann in einem ruhigen Gasthof einquartieren, wo das Essen und der Rotwein gut sind.«
    »Nehmen wir ein Taxi?«
    Das würde wieder eine Szene mit dem Kassenverwalter geben, der mit unangenehmer Hartnäckigkeit die Spesenabrechnungen zerpflückte und zeterte:
    »Fahre ich vielleicht mit dem Taxi in der Gegend herum?«
    Trotzdem hielten sie eins an, anstatt jenseits des Pont-Neuf auf den Bus zu warten.
    »Zum ›Cadran‹, Rue de Maubeuge.«
    Eine nette Brasserie, wie Maigret sie liebte, noch ganz im alten Stil, mit den typischen, rings um die Wände laufenden Spiegeln, mit dunkelroten Plüschbänken, weißen Marmortischen und hie und da einem Nickelbehälter für die Wischtücher. Es roch gut nach Bier und Sauerkraut. Nur dass es etwas zu voll war und die Gäste es zu eilig hatten. Sie waren mit Gepäck beladen, tranken oder aßen in aller Eile, riefen ungeduldig nach dem Kellner, den Blick auf das große Leuchtzifferblatt der Bahnhofsuhr gerichtet.
    Auch der Wirt, der würdevoll neben der Kasse stand und aufmerksam alles verfolgte, was vor sich ging, passte dazu. Er war klein und rundlich, mit kahlem Schädel, einem Anzug, der lose an ihm herabhing, und eleganten Schuhen, auf denen nicht ein Stäubchen zu sehen war.
    »Zweimal Sauerkraut, zwei kleine Bier und den Wirt, bitte.«
    »Sie möchten Monsieur Jean sprechen?«
    »Ja.«
    Ein ehemaliger Kellner oder Geschäftsführer, der sich schließlich selbständig gemacht hatte?
    »Meine Herren …«
    »Ich hätte gern eine Auskunft, Monsieur Jean. Sie hatten hier einen Kellner namens Albert Rochain, der, glaube ich, der kleine Albert genannt wurde.«
    »Ich habe von ihm gehört.«
    »Haben Sie ihn nicht gekannt?«
    »Ich habe das Lokal erst vor drei Jahren gekauft. Die damalige Kassiererin kannte ihn.«
    »Heißt das, dass sie nicht mehr hier ist?«
    »Sie ist voriges Jahr gestorben. Sie hat mehr als vierzig Jahre auf dem Platz hier gesessen.«
    Er zeigte auf die Kasse aus lackiertem Holz, hinter der eine blonde Person von etwa dreißig Jahren thronte.
    »Und die Kellner?«
    »Ja, einer von den alten war noch hier, Ernest, aber er ist inzwischen in Pension gegangen; er ist in seine Heimat zurückgekehrt, irgendwo in der Dordogne, wenn ich mich nicht irre.«
    Der Wirt blieb vor den beiden Männern stehen, die ihr Sauerkraut aßen; trotzdem entging ihm nichts, was um ihn herum geschah.
    »Jules! Nummer 24 …«
    Er lächelte einem Gast zu, der das Lokal verließ.
    »François! Das Gepäck von Madame …«
    »Lebt der ehemalige Besitzer noch?«
    »Dem geht es besser als Ihnen und mir.«
    »Wissen Sie, wo ich ihn treffen könnte?«
    »Bei ihm zu Hause, natürlich. Er kommt mich ab und zu besuchen. Er langweilt sich und spricht davon, dass er wieder ein Lokal aufmachen will.«
    »Könnten Sie mir seine Adresse geben?«
    »Polizei?«, fragte der Wirt ohne Umschweife.
    »Kommissar Maigret.«
    »Verzeihung! Ich weiß seine Hausnummer nicht, aber ich kann Ihnen das Haus beschreiben, weil er mich ein paarmal zum Mittagessen eingeladen hat. Kennen Sie Joinville? Und gleich hinter der Brücke die Ile d’Amour? Er wohnt nicht auf der Insel selbst, sondern in einem Einfamilienhaus genau gegenüber ihrer Spitze. Es ist ein Bootsschuppen davor. Sie können es nicht verfehlen.«
    Es war halb neun, als das Taxi vor dem Haus hielt. Auf einem weißen Marmorschild stand in Druckbuchstaben Le Nid, das Nest, und man sah außerdem einen Vogel – oder etwas, das einen Vogel darstellen sollte –, der sich am Rand eines Nestes niederließ.
    »Um auf diesen Namen zu kommen, hat er bestimmt lange gegrübelt«, bemerkte Maigret, als er klingelte.
    Der ehemalige Wirt des ›Cadran‹ hieß Loiseau, der Vogel … Désiré Loiseau.
    »Du wirst sehen,

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