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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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›Coupole‹.«
    Der große Saal war geschlossen, aber die Bar, an der einige schlaftrunkene Stammgäste hockten, war noch offen. Er ließ sich zwei prächtige Schinkensandwiches bringen und trank kurz nacheinander drei kleine Bier. Das Taxi hatte er warten lassen. Es war vier Uhr früh.
    »Zum Quai des Orfèvres.«
    Unterwegs besann er sich anders.
    »Fahren Sie lieber zur Präfektur, Quai de l’Horloge.«
    Alle seine Schützlinge waren da, und der Gestank erinnerte an den in der Rue du Roi-de-Sicile. Man hatte die Männer auf der einen Seite, die Frauen auf der anderen Seite eingesperrt, zusammen mit all den Clochards, Saufbrüdern und Dirnen, die man während der Nacht in Paris aufgegriffen hatte.
    Die einen schliefen auf Pritschen. Die Stammkunden hatten die Schuhe ausgezogen und massierten ihre schmerzenden Füße. Einige der Frauen schäkerten durch die Gitter mit den Wächtern, und manchmal hob eine von ihnen herausfordernd den Rock bis zur Taille hoch.
    Die Polizisten saßen beim Ofen, auf dem der Kaffee warm gehalten wurde, und spielten Karten. Inspektoren warteten auf Maigrets Befehle.
    Eigentlich sollten die Papiere der ganzen Bande erst um acht Uhr morgens unter die Lupe genommen und die Leute dann nach oben geschickt werden, wo sie sich splitternackt ausziehen mussten und dann dem Arzt und dem Erkennungsdienst vorgeführt wurden.
    »Fangt schon an, Kinder. Um die Papiere soll sich nachher der Kommissar vom Dienst kümmern. Ich möchte, dass ihr euch nacheinander die von der Rue du Roi-de-Sicile vorknöpft, vor allem die Frauen … Und ganz besonders alle die Männer und Frauen, die im ›Hôtel du Lion d’Or‹ wohnen, wenn welche darunter sind …«
    »Eine Frau und zwei Männer.«
    »Gut. Sie sollen alles ausspucken, was sie über die Tschechen oder über Maria wissen.«
    Er gab ihnen eine kurze Beschreibung der Bandenmitglieder, und sie setzten sich jeder an einen Tisch.
    Das Verhör begann. Es sollte den ganzen Rest der Nacht dauern. Inzwischen ging Maigret durch dunkle Gänge, wo er nach dem Lichtschalter tasten musste, durch den Palais de Justice zu seinem Büro.
    Joseph, der Nachtdienst hatte, empfing ihn, und es tat gut, sein Gesicht wiederzusehen. Im Inspektorenbüro, wo man gerade das Telefon läuten hörte, brannte Licht.
    Maigret trat ein. Bodin war am Telefon und sagte bei seinem Anblick:
    »Ich gebe ihn Ihnen … er kommt gerade zurück.«
    Es war Lucas, der dem Kommissar meldete, dass Maria soeben einen neun Pfund schweren Jungen zur Welt gebracht hatte. Sie hatte versucht, aus dem Bett zu springen, als die Schwester mit dem Baby, das gebadet werden sollte, das Zimmer verlassen wollte.

7
    Als Maigret in der Rue de Sèvres gegenüber dem Krankenhaus ›Laënnec‹ aus dem Taxi stieg, sah er einen schweren Wagen mit dem Kennzeichen des Diplomatischen Korps. Vor dem Portal stand ein langer, magerer Mann, der geradezu beängstigend korrekt gekleidet war, so tadellos einstudierte Bewegungen und einen so perfekt angepassten Gesichtsausdruck hatte, dass man keine Lust hatte, den Worten zuzuhören, die er betont langsam aussprach, sondern ihn vielmehr wie ein Schauspiel betrachten wollte. Dabei war er nicht einmal der unterste Sekretär der Tschechischen Botschaft, sondern ein einfacher Kanzleiangestellter.
    »Seine Exzellenz hat mir gesagt …«, begann er.
    Maigret, für den die letzten Stunden zu den anstrengendsten seines Lebens gehört hatten, begnügte sich damit, ihm mit einem gemurmelten »Schon gut!« das Wort abzuschneiden.
    Später auf der Treppe des Krankenhauses drehte er sich allerdings um und stellte seinem Begleiter eine Frage, bei der dieser zusammenzuckte:
    »Sie sprechen doch wenigstens Tschechisch?«
    Lucas lehnte im Flur an einem Fenster und sah melancholisch in den Garten hinaus. Es war ein grauer, regnerischer Morgen. Eine Schwester hatte ihn gebeten, nicht zu rauchen, und er zeigte seufzend auf Maigrets Pfeife.
    »Sie werden sie ausmachen müssen, Chef.«
    Sie mussten warten, bis die diensthabende Schwester sie holte. Es war eine Frau mittleren Alters, die sich von Maigrets Berühmtheit nicht beeindruckt zeigte und die überhaupt nichts für die Polizei übrig zu haben schien.
    »Sie dürfen sie nicht überanstrengen. Sobald ich Ihnen ein Zeichen mache, sollten Sie das Zimmer verlassen.«
    Maigret zuckte die Schultern und betrat als Erster den kleinen, weißen Raum, in dem Maria vor sich hin zu dösen schien, während ihr Baby in einer Wiege neben ihrem Bett schlief.

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