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Maigret - 35 - Maigrets Memoiren

Maigret - 35 - Maigrets Memoiren

Titel: Maigret - 35 - Maigrets Memoiren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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worden wäre, der mich sprechen wollte.
    »Mit anderen Worten: Sie sind zufrieden mit sich«, sagte ich zu Simenon, als er mir die Hand reichte.
    »Nicht ganz, aber das kommt noch.«
    Konnte ich ihm erklären, ich würde ihm verbieten, inskünftig meinen Namen zu gebrauchen? Von Rechts wegen ja. Und das hätte zu dem geführt, was man einen »typischen Pariser Prozeß« nennt, mit dem einzigen Ergebnis, daß ich mich lächerlich gemacht hätte.
    Danach hätte der Romanheld vielleicht anders geheißen. Er wäre trotzdem ich geblieben oder vielmehr jenes vereinfachte Ich, das – um mit dem Autor zu sprechen – sich nach und nach komplizieren sollte.
    Das Schlimmste dabei war, daß der Teufelskerl recht behielt und daß ich jahrein, jahraus jeden Monat in einem Buch mit fotografischem Umschlag einen Maigret entdecken sollte, der mich mehr und mehr nachahmte.
    Wäre es wenigstens bei den Büchern geblieben! Aber die Filmleute begannen sich einzumischen, der Rundfunk, später das Fernsehen.
    Es ist ein komisches Gefühl, wenn ich auf der Leinwand jemanden gehen, kommen, sprechen, sich schneuzen sehe, einen Herrn, der ich sein soll, der sich einige meiner Ticks zugelegt hat, der Sätze von sich gibt, die ich von mir gegeben habe, in Situationen, die mir bekannt sind, die ich erlebt habe, in einem Rahmen, der da und dort peinlich genau rekonstruiert worden ist.
    Mit Pierre Renoir, dem ersten Film-Maigret, wirkte die Geschichte ja noch einigermaßen glaubwürdig. Ich wurde etwas größer, etwas schlanker. Das Gesicht war anders, gewiß, aber diese oder jene Haltung stimmte so auffallend mit der meinen überein, daß ich annehmen muß, der Schauspieler habe mich hinterrücks beobachtet.
    Einige Monate später schrumpfte ich um zwanzig Zentimeter zusammen, und was ich an Länge verlor, gewann ich an Breite. Unter der Maske von Abel Tarride wurde ich dick und plump und so schwammig, daß ich aussah wie ein aufgeblasenes Gummitier, das jeden Moment zur Decke fliegen kann. Von dem vielsagenden Zwinkern, das meine eigenen Entdeckungen und Finessen so richtig ins Rampenlicht rückte, will ich schon gar nicht reden.
    Ich bin nicht bis zum Ende des Films geblieben, doch meine Leiden waren noch nicht zu Ende.
    Harry Baur war zweifellos ein großer Schauspieler, aber damals gut zwanzig Jahre älter als ich, und er hatte einen Gesichtsausdruck, der weich und zugleich tragisch wirkte.
    Sprechen wir nicht davon!
    Nachdem ich um zwanzig Jahre gealtert war, wurde ich sehr viel später wieder fast zwanzig Jahre jünger, dank einem gewissen Préjean, dem ich nichts vorwerfen kann – so wenig wie den anderen –, außer daß er weit eher den jungen Inspektoren von heute als jenen meiner Generation ähnlich sieht.
    Jetzt hat man mich wieder dick werden lassen, dick bis zum Platzen. Dazu spreche ich in der Gestalt von Charles Laughton so fließend englisch, als wäre es meine Muttersprache.
    Nun gut, unter allen diesen Darstellern hat es wenigstens einen gegeben, dem es Spaß machte, Simenon zu überlisten und meine Wahrheit für echter zu halten als die seine.
    Es ist Pierre Renoir. Er hat sich keinen steifen Hut auf den Kopf gestülpt. Er hat sich einen ganz gewöhnlichen weichen Hut aufgesetzt und sich wie irgendein Beamter gekleidet, ob der nun von der Polizei war oder nicht.
    Ich stelle fest, daß ich bis jetzt nur von belanglosen Dingen gesprochen habe, von einem Hut, einem Überzieher, einem Kohleofen. Aber wahrscheinlich sind es diese Nebensächlichkeiten, die mir als erstes zu denken gegeben haben.
    Merkwürdig ist nicht, daß man ein Mann wird und später ein Greis. Merkwürdig ist, daß einem nur der Schnurrbart gestutzt zu werden braucht, und schon erkennt man sich nicht wieder.
    Die Wahrheit ist, daß ich lieber erst mit den von mir als geringfügig empfundenen Schwächen aufräumen will, ehe ich die beiden Hauptpersonen grundsätzlich miteinander konfrontiere.
    Wenn Simenon recht hat, was durchaus möglich ist, so wirkt meine Wahrheit neben seiner berühmten vereinfachten – oder frisierten – sicher blaß und verschwommen, und ich stehe da wie der verbitterte Herr, der eigenhändig an seinem Porträt herumflickt.
    Nun da ich mit den Kleidern begonnen habe, muß ich ja wohl damit fortfahren, und sei es nur um meiner Seelenruhe willen.
    Simenon hat mich neulich gefragt – übrigens hat sich auch das Bürschchen, das ich bei Xavier Guichard kennenlernte, inzwischen verändert –, Simenon, sagte ich, hat mich gefragt, und zwar

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