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Maigret - 35 - Maigrets Memoiren

Maigret - 35 - Maigrets Memoiren

Titel: Maigret - 35 - Maigrets Memoiren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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daß dies nach einer diskreten Unterhaltung mit seiner Gefährtin passiert, der man vorgerechnet hat, wie manches Problem ihr in Zukunft erspart bleiben würde, wenn sie uns gewisse Auskünfte erteilte.
    In den Zeitungen wird viel von Abrechnungen unter Gangstern berichtet, am Montmartre zum Beispiel oder in der Rue de la Fontaine. Revolverschüsse in der Nacht findet der Leser immer spannend.
    Genau diese Affären sind nun aber unsere kleinste Sorge.
    Wir kennen die rivalisierenden Banden, ihre Interessen, ihre Streitgründe. Wir kennen auch die Stärke ihres Hasses oder ihrer persönlichen Rachsucht.
    Ein Verbrechen zieht ein zweites nach sich.
    Schlag und Gegenschlag.
    Luciano ist in einer Bar an der Rue de Douai erschossen worden. Die Korsen werden sich todsicher rächen, und zwar eher früher als später. Und fast immer gibt uns einer von ihnen den Tip:
    »Gegen Dédé, den Plattfuß, braut sich was zusammen. Er hat sich verschanzt und wenn er ausgeht, nimmt er zwei Killer mit.«
    An dem Tag, da Dédé umgelegt wird, stehen die Chancen neun zu zehn, daß ein mehr oder weniger anonymer Anruf uns über die ganze Geschichte ausführlich unterrichtet.
    »Wieder einer weniger!«
    Trotzdem verhaften wir die Täter, doch das hat wenig zu bedeuten, denn diese Leute bringen nur ihresgleichen um, aus Gründen, die nur sie etwas angehen, im Namen ihrer eigenen Gesetze, die sie mit unerbittlicher Härte anwenden.
    Auf diese Fälle spielte Simenon an, als er mir bei unserer ersten Begegnung kategorisch erklärte:
    »Berufsverbrechen interessieren mich nicht.«
    Was er noch nicht wußte, aber seither gelernt hat, ist die Tatsache, daß es sehr wenige andere Verbrechen gibt.
    Ich spreche nicht von den Verbrechen aus Leidenschaft, diesem oft ganz und gar nicht geheimnisvollen, sondern durchaus folgerichtigen Ende einer sich stetig zuspitzenden Krise zwischen zwei oder mehreren Personen.
    Ich spreche auch nicht von der gelegentlichen Messerstecherei zwischen zwei Trunkenbolden im Zone-Quartier, an einem Samstag- oder Sonntagabend.
    Außer solchen Tatbeständen kommen zwei Arten des Verbrechens am häufigsten vor:
    Der Überfall auf eine alte, alleinstehende Frau durch einen oder mehrere jugendliche Banditen und die Ermordung einer Prostituierten auf irgendeinem verlassenen Gelände.
    Im ersten Fall entgeht uns der Täter nur selten. Es ist fast immer ein Junge von der schon erwähnten Sorte. Hat vor Monaten seine Stelle in der Fabrik aufgegeben und spielt seither den großen Gangster.
    Er hat einen Tabakladen ausfindig gemacht, ein Kurzwarengeschäft, irgendeine Verkaufsbude in einer verlassenen Straße.
    Er hat sich einen Revolver beschafft. Oder er begnügt sich mit einem Hammer, einem Schraubenschlüssel.
    Meist kennt er sein Opfer, und in mindestens einem von zehn Fällen hat die Frau ihm einmal Gutes erwiesen.
    Er wollte nicht unbedingt töten. Er hat sich einen Schal um das Gesicht gebunden, um nicht erkannt zu werden.
    Das Tuch ist hinuntergerutscht, oder die alte Frau hat zu schreien begonnen.
    Er hat geschossen. Er hat zugeschlagen. Wenn er geschossen hat, dann hat er das ganze Magazin geleert, was auf Panik schließen läßt. Hat er zugeschlagen, so hat er es zehn-, zwanzigmal getan – blindwütig, heißt es dann, und er hat doch aus lauter Angst nicht einmal mehr gewußt, was er tat.
    Wenn wir ihn dann vor uns haben, wenn er zusammengebrochen dasitzt und trotzdem immer noch den großen Gangster zu spielen versucht, würde mancher Außenstehender sich wahrscheinlich wundern, daß wir nur eines zu ihm sagen:
    »Idiot!«
    Es kostet sie meist den Kopf. Das Mindeste, was sie abbekommen, sind zwanzig Jahre, sofern sie das Glück haben, daß ein guter Anwalt sich für ihren Fall interessiert.
    Was die Dirnenmörder betrifft, so grenzt es an ein Wunder, wenn wir sie zu fassen bekommen. Es sind die langwierigsten, entmutigendsten und auch ekelhaftesten Ermittlungsverfahren, die ich kenne.
    Sie beginnen damit, daß irgendwo ein Schiffer mit seinem Bootshaken einen Sack aus der Seine fischt. Fast immer liegt eine verstümmelte Leiche darin. Ohne Kopf, ohne Arme oder Beine.
    Oft dauert es Wochen, bis die Leiche identifiziert wird. In der Regel handelt es sich um eine jener Frauen unbestimmten Alters, die ihren Kunden nicht einmal mehr ins Hotel oder in ihr Zimmer mitnehmen, weil ihnen ein Hauseingang oder der Schutz eines Bretterzauns genügt.
    Im Quartier, wo bei Einbruch der Nacht sich alles in Geheimnis, Schatten und

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