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Maigret - 43 - Hier irrt Maigret

Maigret - 43 - Hier irrt Maigret

Titel: Maigret - 43 - Hier irrt Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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geboren zu sein und nie etwas anderes gekannt zu haben …«
    Er unterbrach sich. »Nur noch vier Minuten.«
    Die anderen Musiker starrten unterdessen mit ausdrucklosen Gesichtern auf sie herunter.
    »Ich weiß nur, daß er sie bestimmt nicht umgebracht hat. Er hat es zwar nicht fertiggebracht, sie den Klauen ihres Doktors zu entreißen, aber …«
    »Sie wissen, daß er Lulus Geliebter war?«
    »Ja, und?«
    »Hat Pierrot es Ihnen erzählt?«
    »Das weiß doch jeder, daß die ganze Geschichte im Krankenhaus angefangen hat. Ich werde Ihnen erklären, was sich Pierrot dabei gedacht hat. Er wußte, daß es für sie die einzige Chance war, aus der ganzen Misere herauszukommen und ein gesichertes Leben zu führen. Deshalb hat er nichts gesagt.«
    »Und Lulu?«
    »Sie wird auch ihre Gründe gehabt haben.«
    »Welche?«
    »Das geht mich nichts an.«
    »Was für eine Art Mädchen war sie eigentlich?«
    Der Blick, mit dem Louis jetzt die Frauen um ihn herum bedachte, schien sagen zu wollen, daß Lulu auch nicht anders gewesen war als sie.
    »Sie hat ein schweres Leben gehabt«, sagte er schließlich, als wäre damit alles erklärt. »Sie ist da unten bestimmt nicht glücklich gewesen.«
    Mit »da unten« meinte er offensichtlich das Etoile-Viertel, wo sie zuletzt gewohnt hatte und das einem von hier aus wie aus einer anderen Welt vorkam.
    »Von Zeit zu Zeit kam sie zum Tanzen her.«
    »Sah sie traurig aus?«
    Louis zuckte die Schultern. Hatte das Wort »traurig« hier überhaupt einen Sinn? Gab es hier Menschen, die wirklich froh waren? Selbst die kleinen Verkäuferinnen wurden beim Tanzen schwermütig und wollten immer nur traurige Melodien hören.
    »Wir haben nur noch eine Minute. Wenn Sie mich nachher noch brauchen, werden Sie eine halbe Stunde warten müssen.«
    »Hat Ihnen Pierrot nichts gesagt, als er gestern abend aus der Avenue Carnot zurückkam?«
    »Er hat sich nur entschuldigt und gesagt, es sei etwas Wichtiges passiert. Was, hat er nicht gesagt.«
    »Wirkte er bedrückt?«
    »Er wirkt immer bedrückt.«
    »Wußten Sie, daß Lulu schwanger war?«
    Louis starrte ihn an, ungläubig zuerst, dann verblüfft und schließlich sehr ernst.
    »Sind Sie sicher?«
    »Der Gerichtsarzt, der die Autopsie vorgenommen hat, kann sich nicht geirrt haben.«
    »Wie lange schon?«
    »Sechs Wochen.«
    Wahrscheinlich war er so beeindruckt, weil er selbst Kinder hatte und seine Frau ein weiteres erwartete. Er wandte sich zum Kellner, der in der Nähe stand und versuchte, ihrem Gespräch zuzuhören.
    »Etwas zum Trinken, Ernest. Irgendwas.«
    Er hatte vergessen, daß die Minute herum war. Von der Theke spähte der Wirt zu ihnen herüber.
    »Darauf war ich nicht gefaßt.«
    »Ich auch nicht«, gab Maigret zu.
    »Der Professor ist wohl zu alt dazu, nehme ich an?«
    »Es hat schon Achtzigjährige gegeben, die ein Kind gezeugt haben.«
    »Wenn das wahr ist, ist das nur ein weiterer Beweis dafür, daß nicht er sie getötet hat.«
    »Hören Sie zu, Louis.«
    Louis sah ihn noch immer mißtrauisch an, aber seine Aggressivität war verschwunden.
    »Es kann sein, daß sich Pierrot auf irgendeine Art und Weise bei Ihnen meldet.
    Ich verlange nicht, daß Sie ihn verpfeifen. Sagen Sie ihm einfach, daß ich ihn gern sprechen möchte, wo und wann er will. Haben Sie verstanden, was ich meine?«
    »Und dann lassen Sie ihn wieder gehen?«
    »Ich kann nicht versprechen, daß ich die Nachforschungen einstellen werde; ich kann ihm nur freien Abzug zusichern.«
    »Was wollen Sie ihn eigentlich fragen?«
    »Ich weiß es noch nicht.«
    »Glauben Sie immer noch, daß er Lulu getötet hat?«
    »Ich glaube gar nichts.«
    »Ich glaube nicht, daß er sich bei mir melden wird.«
    »Wenn er es aber tut …«
    »Dann werde ich es ihm ausrichten. Jetzt müssen Sie mich aber entschuldigen …«
    Er leerte sein Glas in einem Zug, kletterte wieder zur Estrade hinauf und schnallte sich das Akkordeon um. Die anderen stellten ihm keine Fragen. Er beugte sich über sie, aber nur um ihnen zu sagen, was sie als nächstes spielen sollten. Die Männer an der Theke musterten aus der Entfernung die sitzenden Mädchen, um ihre Wahl für den nächsten Tanz zu treffen.
    »Ich möchte zahlen!«
    »Nichts zu zahlen, Herr Kommissar. Geht auf Rechnung des Lokals.«
    Es war zwecklos, darüber zu diskutieren. Er erhob sich und ging zur Tür.
    »Haben Sie was Neues erfahren?«
    Die Stimme des Wirts klang ironisch.
    »Besten Dank für den Schnaps.«
    Es hatte keinen Sinn, hier ein Taxi zu

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