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Maigret - 43 - Hier irrt Maigret

Maigret - 43 - Hier irrt Maigret

Titel: Maigret - 43 - Hier irrt Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Putzfrau wohnte. Das Haus war baufällig und seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr verputzt worden. Die darin zusammengepferchten Familien quollen förmlich aus den Wohnungen heraus und überfluteten den Hausflur und das Treppenhaus, in dem Kinder spielten.
    Madame Brault wohnte im vierten Stock, zum Hinterhof hinaus. Einen Aufzug gab es hier nicht, und die Treppen waren steil. Maigret mußte unterwegs zweimal stehenbleiben und dabei mehr oder weniger angenehme Gerüche einatmen.
    »Wer ist da?« rief eine Stimme, als er anklopfte.
    »Kommen Sie herein, ich kann Ihnen nicht aufmachen.«
    Sie stand barfuß, im Unterkleid, in der Küche und wusch in einer verzinkten Eisenschüssel ihre Wäsche. Sie war keineswegs überrascht, als sie den Kommissar erblickte, sagte ihm nicht einmal guten Tag und wartete einfach darauf, daß er zu reden begann.
    »Ich war gerade in der Gegend und wollte mal eben bei Ihnen vorbeischauen.«
    »Was Sie nicht sagen!«
    Der Wäschedampf begann die Scheiben zu beschlagen, die immer undurchsichtiger wurden. Aus dem Nebenzimmer, in dem Maigret den Fuß eines Bettes erblickte, hörte man Schnarchen, und Madame Brault schloß die Tür.
    »Mein Mann schläft«, sagte sie.
    »Betrunken?«
    »Wie immer.«
    »Warum haben Sie mir gestern nicht gesagt, wer der Mann ist, von dem Lulu sich aushalten ließ?«
    »Weil Sie mich nicht danach gefragt haben. Sie haben mich nur gefragt, ob ich je einen Mann gesehen hätte, der zu ihr auf Besuch kam. Das weiß ich ganz genau.«
    »Sie haben ihn nie gesehen?«
    »Nein.«
    »Aber Sie wußten, daß es der Professor war?«
    Ihr Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, daß sie noch viel mehr wußte. Sie würde aber bestimmt nicht freiwillig mit der Sprache herausrücken. Nicht etwa, weil sie etwas zu verbergen hatte, was sie selbst betraf. Und vermutlich auch nicht, um jemanden zu schützen. Es war einfach ihr Prinzip, der Polizei nicht zu helfen – was im Grunde auch ganz verständlich war, wenn man bedachte, daß sie von der Polizei ihr Leben lang verfolgt worden war. Die Polizisten waren ihre Feinde. Sie haßte sie.
    »Hat Ihre Arbeitgeberin jemals von ihm gesprochen?«
    »Kann schon sein.«
    »Und was sagte sie über ihn?«
    »Wenn ich das noch wüßte!«
    »Wollte sie ihn verlassen?«
    »Ob sie ihn verlassen wollte, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß sie in diesem Haus nicht glücklich war.«
    Ohne dazu aufgefordert worden zu sein, hatte er sich auf einen Stuhl gesetzt, dessen geflochtener Sitz leise knarrte.
    »Was hinderte sie eigentlich daran fortzugehen?«
    »Danach habe ich sie nicht gefragt.«
    »Liebte sie Pierrot?«
    »Auf jeden Fall sah es so aus.«
    »Bekam sie viel Geld von Gouin?«
    »Sooft sie welches von ihm verlangte.«
    »Und tat sie das oft?«
    »Sobald sie keins mehr hatte. Wenn ich einkaufen ging, fand ich manchmal nur ganz kleine Geldscheine in ihrer Handtasche oder in der Schublade. Wenn ich sie darauf aufmerksam machte, antwortete sie: ›Ich werde gleich wieder Geld verlangen.‹«
    »Bekam Pierrot Geld von ihr?«
    »Das geht mich nichts an. Wenn sie mehr Verstand gehabt hätte …«
    Sie unterbrach sich.
    »Was wäre dann geschehen?«
    »Was geschehen wäre? Vor allem wäre sie nie in dieses Haus gezogen, in dem sie wie eine Gefangene lebte …«
    »Ließ er sie denn nicht ausgehen?«
    »Zumeist war sie es, die es gar nicht wagte, aus Angst, es könnte dem gnädigen Herrn einfallen, ihr im Vorbeigehen guten Tag zu sagen. Im Grunde war sie gar nicht seine Geliebte, sondern eine Art Dienstbote. Wobei sie allerdings nicht zu arbeiten, sondern nur im Bett zu liegen hatte. Wäre sie in einem anderen Stadtteil wohnen geblieben und hätte er sich zu ihr bemühen müssen … Aber was hat das alles für einen Sinn? … Was wollen Sie eigentlich von mir?«
    »Eine Auskunft.«
    »Heute wollen Sie eine Auskunft und ziehen den Hut dabei. Aber morgen, falls ich das Pech habe, etwas länger vor einem Warenstand stehenzubleiben, lassen Sie mich einsperren. Was für eine Auskunft wollen Sie eigentlich?«
    Sie hängte ihre Wäsche auf eine quer durch die Küche gespannte Leine.
    »Wußten Sie, daß Lulu schwanger war?«
    Sie wandte sich jäh um.
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Die Autopsie.«
    »Dann hat sie sich also nicht geirrt.«
    »Wann hat sie mit Ihnen darüber gesprochen?«
    »Etwa drei Tage bevor man ihr eine Kugel durch den Kopf gejagt hat.«
    »Sie war also nicht sicher?«
    »Nein. Sie war noch nicht beim Arzt gewesen. Sie hatte Angst

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