Maigret - 43 - Hier irrt Maigret
sich.«
»Sonst hat sie nichts gesagt?«
»Ich mußte ihr nochmals bestätigen, daß es absolut sicher sei.«
»War sie glücklich darüber?«
»Ich könnte schwören, daß sie es war.«
Lulu hatte also Montag gegen sechs Uhr die Rue des Dames verlassen und war in die Avenue Carnot zurückgekehrt.
Gegen acht, nach dem Abendessen, hatte der Professor, seiner Frau zufolge, einige Minuten in Lulus Wohnung verbracht und war dann ins Krankenhaus gefahren.
Bis etwa zehn Uhr war Louise Filon allein geblieben. Sie hatte Languste aus der Büchse gegessen und etwas Wein getrunken. Dann war sie anscheinend zu Bett gegangen, denn das Bett war benützt worden; aber es war nicht zerwühlt, als ob sie mit einem Mann darin gelegen hätte.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich Pierrot bereits im Grelot, und sie hätte ihn dort sofort anrufen können. Sie hatte es aber erst gegen halb zehn getan.
Und warum hatte sie ihn während seiner Arbeitszeit den Weg bis ins Etoile-Viertel machen lassen? Um ihm die große Neuigkeit mitzuteilen? Wenn es so war, warum hatte sie dann so lange gewartet?)Hatte Pierrot, um Zeit zu gewinnen, ein Taxi genommen? Nach Aussage der Concierge war er etwa zwanzig Minuten in der Wohnung geblieben.
Der Professor – und darin stimmten die Aussagen von Madame Gouin und der Concierge überein – war kurz nach elf aus dem Krankenhaus zurückgekehrt und nicht mehr bei seiner Geliebten gewesen.
Am nächsten Morgen war Madame Brault gegen acht Uhr zur Arbeit gekommen und hatte Louise auf dem Sofa im Salon tot aufgefunden und behauptet, daß neben der Leiche keine Waffe gelegen habe.
Der Gerichtsarzt, der mit seinen Schlußfolgerungen stets äußerst vorsichtig war, gab an, daß der Tod zwischen neun und elf Uhr abends eingetreten sein mußte. In Anbetracht des Telefonanrufs im Grelot konnte man jedoch statt neun Uhr halb zehn annehmen.
Was die in der Wohnung gefundenen Fingerabdrücke betraf, so stammten sie von nur vier Personen: von Lulu selbst, von der Putzfrau, dem Professor und Pierre Eyraud. Moers hatte einen seiner Leute ins Krankenhaus Cochin geschickt und Gouins Fingerabdrücke auf einem Papier fotografieren lassen, das dieser eben im Krankenhaus unterschrieben hatte. Was die übrigen drei anging, so hatte man sich nicht eigens bemühen müssen, weil sie alle bereits eine Karteikarte im Erkennungsdienst hatten.
Offensichtlich war Lulu nicht auf den Überfall gefaßt gewesen, sonst hätte der Schuß nicht aus unmittelbarer Nähe abgefeuert werden können.
Die Wohnung war auch nicht durchsucht worden. Das bedeutete, daß es dem Mörder weder um Geld noch um irgendein Dokument zu tun gewesen war.
»Ich danke Ihnen, Doktor. Nach ihrem Besuch ist wohl niemand mehr gekommen, der Näheres über sie wissen wollte? Oder hat man Sie vielleicht angerufen?«
»Nein. Als ich in der Zeitung las, daß sie ermordet worden ist, rechnete ich damit, daß die Polizei zu mir kommen würde, allein schon deshalb, weil ihre Putzfrau sie zu mir geschickt hatte und somit Bescheid wissen mußte. Um ehrlich zu sein, ich hätte Sie im Laufe des Nachmittags ohnehin angerufen, auch wenn Sie nicht gekommen wären.«
Einige Augenblicke später rief Maigret aus einer Kneipe in der Rue des Dames Madame Gouin an. Sie erkannte ihn sofort an der Stimme und schien keineswegs überrascht.
»Was wünschen Sie, Herr Kommissar?«
»Sie sagten mir gestern, Ihre Schwester arbeite in einer Bibliothek. Darf ich fragen, in welcher?«
»In der Städtischen Bibliothek an der Place Saint-Sulpice.«
»Vielen Dank.«
»Haben Sie schon etwas herausgefunden?«
»Nur, daß Louise Filon schwanger war.«
»Ach!«
Er bedauerte sofort, es ihr am Telefon gesagt zu haben, denn so entging ihm ihre Reaktion.
»Überrascht Sie das?«
»Ziemlich … Ja … Es ist wahrscheinlich lächerlich von mir, aber bei gewissen Frauen ist man auf so etwas gar nicht gefaßt. Man vergißt, dass sie genauso beschaffen sind wie alle anderen.«
»Sie wissen nicht, ob Ihr Mann davon wußte?«
»Er hätte es mir gesagt.«
»Hat er nie Kinder gehabt?«
»Nie.«
»Wollte er keine?«
»Ich glaube, er hat sich nie mit dem Gedanken beschäftigt. Wir hatten nun einmal keine. Wahrscheinlich liegt es an mir.«
Der kleine schwarze Wagen brachte ihn zur Place Saint-Sulpice, dem Platz, den er – ohne besonderen Grund übrigens – von allen Pariser Plätzen am meisten haßte. Er hatte dort immer das Gefühl, irgendwo in der Provinz zu sein. Sogar die Geschäfte sahen hier
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