Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht
im Treppenhaus aufhalten.
Der Bericht von Vacher, der dort die Nacht auf einer Stufe oder an die Tür gelehnt verbracht hatte, sobald sich in der Wohnung etwas bewegte, war ein wenig irreführend.
Zu recht früher Stunde, nachdem das Ehepaar ziemlich schweigsam gegessen hatte, war Ginette Meurant ins Schlafzimmer hinübergegangen, um sich auszuziehen; Jussieu, der ihren Schatten von der Straße aus gesehen hatte, als sie ihr Kleid über den Kopf zog, konnte das bestätigen.
Ihr Mann ist ihr nicht ins Schlafzimmer gefolgt. Sie war noch einmal zurückgekommen, um ihm ein paar Worte zu sagen, und hatte sich dann offenbar hingelegt, während er in einem Sessel im Esszimmer sitzen blieb.
Dann ist er mehrmals aufgestanden, im Zimmer auf und ab gegangen, stehen geblieben, dann wieder umhergelaufen und hat sich erneut in den Sessel fallen lassen.
Gegen Mitternacht ist seine Frau noch einmal zurückgekommen, um ihm etwas zu sagen. Vom Treppenhaus aus konnte Vacher nicht verstehen, was gesprochen wurde, doch er erkannte die beiden Stimmen. Es klang nicht nach einem Streit. Die Frau hielt eine Art Monolog, der hin und wieder von einem kurzen Satz oder einem einzelnen Wort ihres Mannes unterbrochen wurde.
Sie hat sich wieder hingelegt, anscheinend immer noch allein. Das Licht im Esszimmer ist nicht ausgegangen, und gegen halb drei ist Ginette zum dritten Mal erschienen.
Meurant schlief nicht, denn er hatte sofort eine knappe Antwort gegeben. Vacher hat vermutet, dass sie geweint hat. Denn er hatte ein monotones Gejammer gehört, das von einem charakteristischen Schniefen unterbrochen wurde.
Ohne sich wütend zu zeigen, schickte Meurant seine Frau ins Bett zurück, und dann musste er wohl in seinem Sessel eingeschlafen sein.
Etwas später wachte ein Baby eine Etage höher auf; gedämpfte Schritte waren zu hören, gegen fünf begannen die Mieter aufzustehen, überall gingen Lichter an, und Kaffeeduft strömte ins Treppenhaus. Um halb sechs brach der erste Mann bereits zur Arbeit auf und betrachtete neugierig den Inspektor, der keine Möglichkeit hatte, sich zu verstecken, dann warf er einen Blick zur Tür und schien zu verstehen.
Um sechs übernahmen Dupeu und Baron draußen die Wache. Der Regen hatte aufgehört. Das Wasser tropfte noch von den Bäumen. Der Nebel war so dicht, dass die Sichtweite unter zwanzig Meter betrug.
Das Licht im Esszimmer blieb an, das Schlafzimmer war dunkel. Bald darauf verließ Meurant das Haus, unrasiert, mit zerknittertem Anzug wie jemand, der die ganze Nacht in Kleidern verbracht hat; er ist in das kleine Lokal an der Ecke gegangen, wo er Croissants gegessen und drei Tassen Kaffee getrunken hat. Als er die Türklinke schon herunterdrücken wollte, um wieder zu gehen, überlegte er es sich anders und ging wieder an die Theke zurück. Dort bestellte er einen Cognac und kippte ihn in einem Zug hinunter.
Die Ermittlung im Frühjahr hatte ergeben, dass er kein Trinker war, dass er nur zu den Mahlzeiten ein Schlückchen Wein und im Sommer ab und zu ein Bier trank.
Er ging zu Fuß in die Rue de la Roquette, ohne sich einmal umzusehen, ob ihm jemand folgte. Als er vor seinem Geschäft ankam, blieb er kurz vor den verschlossenen Läden stehen, ging nicht hinein, sondern überquerte den Hof und schloss mit seinem Schlüssel die Tür zu seiner Werkstatt auf, die hinter großen Fensterscheiben lag.
Dort blieb er einen Moment reglos stehen, betrachtete die Werkbank, die an der Wand hängenden Werkzeuge, die Rahmen, Leisten und Hobelspäne. Wasser war unter der Tür hereingesickert und bildete auf dem Zementboden eine kleine Pfütze.
Meurant öffnete die Ofenklappe, legte Kleinholz und einen Rest Eierkohlen hinein, aber als er das Streichholz anzündete, änderte er seine Absicht, ging wieder zurück in den Hof und schloss die Tür hinter sich zu.
Er lief ziemlich lange ziellos umher. An der Place de la République ist er noch einmal in eine Bar gegangen und hat einen weiteren Cognac getrunken, während der Kellner ihn ansah, als ob ihm Meurants Gesicht irgendwie bekannt vorkäme.
Auch zwei oder drei Passanten hatten sich nach Meurant umgedreht, denn an diesem Morgen war sein Foto wieder mit der dicken Schlagzeile
Freispruch für Gaston Meurant
in den Zeitungen erschienen.
Diese Schlagzeile, dieses Foto konnte er an allen Kiosken sehen, aber es reizte ihn nicht, eine Zeitung zu kaufen. Er fuhr mit dem Bus, stieg zwanzig Minuten später an der Place Pigalle wieder aus und ging zur Rue
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