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Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher

Titel: Maigret - 70 - Maigret und der Messerstecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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der Wohnung am Boulevard Richard-Lenoir aßen Maigret und seine Frau rasch zu Mittag. Nach dem Abwasch zog Madame Maigret sich um.
    »Ist es kalt draußen?«
    »Kühl.«
    »Kann ich mein geblümtes Kleid nicht anziehen?«
    »Warum nicht? Du nimmst doch einen Mantel mit?«
    Eine Stunde später tauchten sie in den Strom der Pariser ein, die zu Zehntausenden auf dem Weg ins Grüne waren.
    Sie fanden das Haus so wohnlich und sauber vor, als hätten sie es am Tag zuvor verlassen. Eine Frau aus dem Dorf kam zweimal die Woche, lüftete durch, wischte Staub und pflegte die Böden. Dieser Frau brauchte man nicht mit modernen Reinigungsmitteln zu kommen, sie bohnerte alles nach alter Manier, auch die Möbel, und so duftete es überall nach Wachs.
    Ihr Mann kümmerte sich um den Garten. Maigret entdeckte auch schon Krokusse im Rasen, und ganz hinten an der Gartenmauer, an der geschütztesten Stelle, blühten Narzissen und Tulpen.
    Er ging schnurstracks nach oben, um sich eine alte Hose und ein Flanellhemd anzuziehen. Dieses Haus mit seinen offenen Balken und dunklen Nischen, mit der Ruhe, die es ausstrahlte, erinnerte ihn immer an ein Pfarrhaus. Das störte ihn nicht, im Gegenteil.
    Madame Maigret machte sich in der Küche zu schaffen.
    »Hast du großen Hunger?«
    »Normal …«
    Hier hatten sie keinen Fernseher. Nach dem Abendessen setzten sie sich, wenn die Witterung es erlaubte, in den Garten und sahen dem Sonnenuntergang zu, der die Konturen der Landschaft nach und nach verwischte.
    An diesem Abend wollten sie ein Stück gehen. Sie spazierten gemächlich zur Loire hinunter, die nach den Regengüssen der ersten Wochenhälfte schlammige Wassermassen wälzte und dicke Äste mit sich forttrug.
    »Beschäftigt es dich sehr?«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis er antwortete.
    »Nein, eigentlich nicht … Der Mann, der Antoine Batille getötet hat, hat mich heute früh angerufen …«
    »Um dich zum Narren zu halten? … Oder wollte er dich herausfordern? …«
    »Nein … Er hat jemanden gebraucht, mit dem er reden konnte.«
    »Und da hat er dich angerufen?«
    »Er hatte sonst niemanden.«
    »Bist du sicher, dass er den jungen Mann ermordet hat?«
    »Ich habe gesagt, getötet … Zum Mord gehört Vorsatz.«
    »War es nicht vorsätzlich?«
    »Nicht im eigentlichen Sinne, ich glaube es wenigstens …«
    »Warum hat er an die Zeitungen geschrieben?«
    »Hast du es gelesen?«
    »Ja. Ich dachte zuerst, das sei ein Scherz … Weißt du, wer er ist?«
    »Nein, aber ich könnte es binnen vierundzwanzig Stunden wissen.«
    »Ist es dir nicht wichtig, ihn zu verhaften?«
    »Er wird sich selbst stellen.«
    »Und wenn er sich nicht stellt? Wenn er ein weiteres Verbrechen begeht?«
    »Ich glaube nicht, dass er …«
    Der Kommissar hielt plötzlich inne. Durfte er seiner Sache so sicher sein? Er dachte an Antoine Batille, der von Forschungen über die Menschen in den Tropen geträumt hatte und die junge Mauricette heiraten wollte.
    Mit seinen knapp einundzwanzig Jahren war er in der Rue Popincourt vornüber in eine Pfütze gestürzt, um nie wieder aufzustehen.
    Maigret schlief unruhig. Zweimal öffnete er die Augen, weil er geglaubt hatte, das Telefon klingeln zu hören.
    »Er wird nicht noch einmal töten …«
    Er sagte sich, das sei ganz sicher.
    »Im Grunde hat er Angst vor sich selbst …«
    Eine richtige Sonntagmorgensonne, ein Sonnenschein wie in Kindheitserinnerungen. Draußen ließ der Tau tausend Düfte aufsteigen, und drinnen roch es verführerisch nach Spiegelei mit Schinken.
    Der Tag verlief harmonisch, und dennoch lag etwas wie ein Schleier über Maigrets Gesicht. Es gelang ihm nicht, sich völlig zu entspannen, und seine Frau spürte es.
    Im Wirtshaus wurden sie mit offenen Armen empfangen, und sie mussten mit allen anstoßen, weil sie schon ein wenig zu den Einheimischen gehörten.
    »Wie wär’s mit einer Kartenpartie heute Nachmittag?«
    Warum nicht? Sie aßen hausgemachte Fleischpastete, Hähnchen in Weißwein, und nach dem Ziegenkäse nahmen sie als Nachtisch ein Rumgebäck.
    »Um vier Uhr?«
    »Gut …«
    Er nahm seinen Korbsessel, suchte sich ein gutgeschütztes Eckchen im Garten, und als die Sonne ihm die Augenlider wärmte, schlief er fast augenblicklich ein.
    Als er aufwachte, machte ihm Madame Maigret einen Kaffee.
    »Du hast so tief geschlafen, dass es eine Wonne war, dich anzuschauen …«
    Er hatte den Geschmack der Landluft auf der Zunge und meinte noch das Summen der Fliegen um sich herum zu hören.
    »Kam es

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