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Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer

Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer

Titel: Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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es schon während der Gegenüberstellung am Vormittag getan hatte.
    »Was tun wir?«
    Die Gäste zerstreuten sich. Die vier standen auf der Terrasse.
    »Setzen wir uns doch für einen Moment«, schlug Madame Maigret vor.
    Ihre Liegestühle standen noch am Strand, und Maigret und seine Frau setzten sich.
    Die jungen Leute blieben verlegen stehen.
    »Gehen wir ein bißchen spazieren?« wagte Marie Léonnec schließlich zu fragen, wobei sie Madame Maigret mit einem unsicheren Lächeln anblickte.
    Der Kommissar steckte seine Pfeife an und murmelte, als er mit seiner Frau allein war:
    »Ich komme mir schon ganz wie der Schwiegervater vor.«
    »Sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Sie sind in einer delikaten Situation«, meinte seine Frau, die ihnen nachschaute. »Schau sie dir an. Sie sind befangen. Ich täusche mich vielleicht, aber ich glaube, Marie hat mehr Charakter als ihr Verlobter.«
    Jedenfalls war es ein kläglicher Anblick, wie der magere junge Mann lässig, ohne sich um seine Begleiterin zu kümmern, ohne etwas zu sagen, dahinschlenderte. Dennoch spürte man, daß das Mädchen voll guten Willens war, daß sie drauflosplapperte, um ihn abzulenken und sogar versuchte, sich heiter zu geben.
    Es waren noch andere Pärchen am Strand. Aber Le Clinche war der einzige Mann, der keine weißen Hosen trug, und sein dunkler Anzug ließ ihn nur noch trister erscheinen.
    »Wie alt ist er?« fragte Madame Maigret.
    Ihr Mann, der sich in seinem Liegestuhl zurückgelehnt hatte, antwortete mit halbgeschlossenen Augen:
    »Neunzehn. Ein Lausbub. Ich befürchte nur, diesen Vogel wird bald die Katze holen.«
    »Warum? Ist er nicht unschuldig?«
    »Er ist wahrscheinlich nicht der Mörder. Nein! Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Aber ich fürchte, daß er trotzdem verloren ist. Schau ihn an! Schau sie an!«
    »Ach was! Sie brauchen nur einen Augenblick allein zu sein, und sie werden sich küssen.«
    »Vielleicht.« Es klang pessimistisch. »Sie ist nur ein wenig älter als er. Sie liebt ihn. Sie würde eine nette kleine Ehefrau abgeben.«
    »Und warum glaubst du, daß …«
    »Daß es nicht dazu kommen wird? Ein Gefühl. Hast du schon mal Fotos von Menschen betrachtet, die jung gestorben sind? Ich war immer betroffen von der Traurigkeit in diesen Gesichtern, obwohl die Bilder doch aufgenommen wurden, als die Menschen noch bei guter Gesundheit waren. Man könnte fast sagen, daß den Menschen, die dazu bestimmt sind, Opfer eines Dramas zu sein, ihr Schicksal schon im Gesicht geschrieben steht.«
    »Und du findest, daß dieser Junge …«
    »Er ist ein Kind der Traurigkeit, ist es immer gewesen. Er ist arm auf die Welt gekommen. Er hat unter seiner Armut gelitten. Er hat erbittert gekämpft, so erbittert, wie man gegen eine Strömung anschwimmt. Er hat es geschafft, sich mit einem charmanten Mädchen zu verloben, die aus besseren Verhältnissen kommt als er … Aber ich glaube nicht an dieses Glück. Schau sie an! Sie wehren sich. Sie möchten optimistisch sein. Sie versuchen, an ihre Zukunft zu glauben.«
    Maigret sprach langsam und leise, während er die beiden Gestalten beobachtete, die sich von dem glitzernden Meer abhoben.
    »Wer hat die offizielle Leitung der Untersuchung?«
    »Girard, ein Kommissar von der Brigade Le Havre. Du kennst ihn nicht. Ein intelligenter Mensch.«
    »Hält er ihn für schuldig?«
    »Nein. Und es gibt auch keinen Beweis, nicht einmal eine begründete Annahme dafür.«
    »Was denkst du?«
    Maigret drehte sich um, als würde er den Fischdampfer suchen, den ein paar Häuser verbargen.
    »Ich glaube, daß dies eine tragische Fahrt gewesen ist, zumindest für zwei Männer. So tragisch, daß Kapitän Fallut nach der Rückkehr nicht mehr weiterleben kon n te , daß der Funker nicht mehr in sein normales Leben zurückkehren konnte. «
    »Wegen einer Frau?«
    Er antwortete nicht direkt auf die Frage und fuhr fort:
    »Und es hat bei allen anderen, die von dem Drama gar nicht betroffen waren, sogar bei den Männern unten im Schiff, seine Wirkung hinterlassen, ohne daß sie es merkten. Sie sind mürrisch und nervös zurückgekehrt. Zwei Männer und eine Frau haben sich drei Monate lang gequält. Ein dunkler Verschlag, ein Bullauge. Das hat genügt.«
    »Ich habe es selten erlebt, daß dir ein Fall so nahe gegangen ist … Du sprichst von drei Personen. Was konnten sie mitten auf dem Ozean getan haben?«
    »Ja, was konnten sie getan haben? Etwas, das genügte, Kapitän Fallut zu töten! Und das jetzt

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