Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer
noch genügt, diese beiden dort, die in den Strandkieseln die Reste ihrer Träume zu suchen scheinen, ratlos zu machen.«
Marie und Pierre kamen langsam zurück und wußten nicht, ob sie sich aus Höflichkeit zu den Maigrets setzen oder diskret weitergehen sollten.
Marie Léonnec hatte bei dem Spaziergang viel von ihrer Energie verloren. Sie warf Madame Maigret einen entmutigten Blick zu. Man spürte, daß all ihre Versuche, ihr ganzer Elan an einer Mauer der Verzweiflung oder des Widerstandes abgeprallt waren.
Madame Maigret war es gewöhnt, am Nachmittag etwas zu sich zu nehmen, so daß sie sich um vier Uhr alle zusammen auf die Hotelterrasse setzten, wo die gestreiften Sonnenschirme die Atmosphäre konventioneller Heiterkeit verbreiteten.
In zwei Tassen dampfte heiße Schokolade. Maigret hatte Bier bestellt, Le Clinche einen Pernod mit Wasser.
Man sprach von Jorissen, dem Lehrer aus Quimper, der sich bei Maigret für den Funker verwandt und Marie Léonnec hergebracht hatte. Es war ein belangloses Gespräch.
»Er ist der beste Mensch der Welt …«
Man blieb bei diesem Thema, ohne Überzeugung, einfach nur, weil man etwas sagen wollte. Plötzlich kniff Maigret die Augen zusammen und starrte auf das Paar, das auf der Promenade näher kam.
Es waren Adèle und Gaston Buzier. Er lässig, die Hände in den Taschen, den Strohhut im Nacken, sie animiert und aufreizend wie gewöhnlich.
»Hoffentlich entdeckt sie uns nicht!« dachte Maigret.
Doch im selben Augenblick kreuzten sich ihre Blicke. Die junge Frau blieb stehen und sagte etwas zu ihrem Begleiter, der versuchte, sie von ihrem Vorhaben abzubringen.
Zu spät. Sie kam über die Straße, betrachtete sämtliche Tische auf der Terrasse und entschied sich schließlich für den, der den Maigrets am nächsten stand. Sie setzte sich so, daß sie Marie Léonnec genau ins Gesicht sehen konnte.
Ihr Liebhaber folgte ihr mit einem Schulterzucken, tippte, Maigret grüßend, an den Rand seines Strohhuts und setzte sich rittlings auf einen Stuhl.
»Was trinkst du?«
»Bestimmt keine Schokolade! Einen Kümmelschnaps!«
War das nicht schon eine Kriegserklärung? Während sie das von der Schokolade sagte, starrte sie auf Maries Tasse, und Maigret bemerkte, wie das Mädchen zusammenzuckte.
Sie hatte Adèle noch nie gesehen. Aber war ihr nicht schon alles klar? Sie schaute Le Clinche an, der den Kopf abwandte.
Madame Maigret stieß unter dem Tisch ihren Mann zweimal an.
»Wollen wir nicht alle vier ins Casino gehen?«
Auch sie hatte es erraten. Aber niemand antwortete ihr. Nur Adèle am Nachbartisch schwatzte.
»Welche Hitze!« stöhnte sie. »Nimm meine Jacke, Gaston.«
Und sie entledigte sich ihrer Kostümjacke, zeigte sich in rosa Seide mit üppigem Busen und nackten Armen. Ihre Augen wichen dabei nicht einen Augenblick von dem Mädchen.
»Sag, magst du grau? Findest du nicht, daß es verboten werden sollte, so traurige Farben am Strand zu tragen?«
Es war idiotisch! Marie Léonnec trug ein graues Kostüm. Die andere gab deutlich zu verstehen, daß sie Streit suchte, ganz gleich wie, aber so schnell wie möglich.
»Nun, Garçon? Krieg ich heute noch was?«
Sie sprach mit schriller Stimme, und man hätte meinen können, daß sie ihre Vulgarität absichtlich noch übertrieb.
Gaston Buzier witterte die Gefahr. Er kannte seine Geliebte. Er flüsterte ihr etwas zu. Aber sie entgegnete sehr laut:
»Na und? Ist die Terrasse nicht für alle da?«
Madame Maigret kehrte ihnen als einzige den Rücken. Der Kommissar und der Funker saßen mit der Seite zu ihnen, und Marie Léonnec schaute ihnen direkt ins Gesicht.
»Alle Menschen sind gleich, oder nicht? … Allerdings gibt es Leute, die um einen herumlungern, wenn man sie nicht sehen darf, und die einen dann nicht einmal grüßen, wenn sie in Begleitung sind!«
Und sie lachte! Ein unangenehmes Lachen! Sie starrte das Mädchen an, das puterrot wurde.
»Wieviel macht das, Garçon?« fragte Buzier, der es eilig hatte, dem ein Ende zu machen.
»Wir haben Zeit! Dasselbe noch einmal, Garçon! Und bringen Sie mir Erdnüsse mit!«
»Wir haben keine.«
»Dann kaufen Sie welche. Dafür werden Sie doch bezahlt, nehme ich an.«
Es waren noch zwei weitere Tische besetzt. Alle Blicke wandten sich dem Paar zu, das nicht unbemerkt bleiben konnte. Maigret war besorgt. Zweifellos war ihm daran gelegen, diese Szene zu beenden, die schlimm auszugehen drohte.
Andererseits aber saß da der Funker vor ihm, den er mit größter
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