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Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Titel: Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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nicht mehr in Saint-Cloud gewesen?« fragte Maigret mit Nachdruck.
    »Ich? … Haha! Sie Spaßvogel! –«
    »Wissen Sie, daß man eine weitere Leiche gefunden hat?«
    »Da machen die Totengräber ja gute Geschäfte … Auf Ihr Wohl, Kommissar!«
    Es war nicht gespielt. Er war zwar nicht ganz so betrunken wie Janvier, aber doch betrunken genug, um sich krampfhaft und mit glasigen Augen an der Bar festhalten zu müssen.
    »Wer ist der Glückspilz?«
    »William Crosby …«
    Während einiger Sekunden schien Radek gegen seine Trunkenheit anzukämpfen, als hätte er plötzlich den Ernst dieses Augenblicks erfaßt.
    Dann warf er sich mit einem Ruck nach hinten und bedeutete dem Barmixer unter schallendem Gelächter, die Gläser neu zu füllen.
    »Tja, da haben Sie eben Pech gehabt …«
    »Inwiefern?«
    »Insofern als Sie nicht begreifen, alter Freund! Und zwar weniger denn je. Ich hab es Ihnen schon immer gesagt. Und jetzt mach ich Ihnen einen guten Vorschlag … Janvier und ich, wir sind uns schon einig geworden … Sie lassen mich beschatten … Schön! Mir persönlich ist das schnuppe.
    Aber ich fände es gescheiter, wenn wir gemeinsam durch die Gegend bummelten, anstatt wie zwei Idioten hintereinander her zu laufen und Verstecken zu spielen … Haben Sie schon zu Abend gegessen? … Also, gut! Da man bekanntlich nie weiß, was einen morgen erwartet, schlage ich vor, daß wir heute einmal so richtig auf den Putz hauen … Hier wimmelt es von hübschen Frauen … Jeder von uns sucht sich eine aus … Janvier hat bereits mit der kleinen Dunkelhaarigen dort drüben angebändelt. Ich bin noch nicht soweit … Aber ich bin es, der heute bezahlt, klar?
    Nun, was halten Sie davon?«
    Er beobachtete den Kommissar. Maigrets Augen ruhten forschend auf seinem Gesicht – und konnten keine Spur von Trunkenheit mehr darin erkennen.
    Hellwacher Verstand blitzte ihm aus diesen Pupillen entgegen und gleichzeitig unverhohlener Spott. Eine geradezu unbändige Freude schien von Radek Besitz ergriffen zu haben.

9
    Am Morgen danach
    Es war acht Uhr früh. Maigret hatte sich von Radek und Janvier erst vor vier Stunden getrennt. Jetzt trank er schwarzen Kaffee, während er bedächtig in dicken, eng aneinandergereihten Buchstaben notierte:
    7. Juli – Um Mitternacht trinkt Joseph Heurtin im ›Pavillon-Bleu‹ in Saint-Cloud vier Gläser Schnaps und läßt eine Bahnfahrkarte dritter Klasse zu Boden fallen.
    Um zwei Uhr dreißig werden Madame Henderson und ihre Zofe durch Messerstiche getötet, die vom Mörder hinterlassenen Spuren stammen von Heurtin.
    Um vier Uhr kehrt dieser in sein Zimmer an der Rue Monsieur-le-Prince zurück.
    8. Juli – Heurtin geht wie gewohnt zur Arbeit.
    9. Juli – Aufgrund seiner Schuhabdrücke wird er bei seinem Arbeitgeber an der Rue de Sèvres verhaftet. Er leugnet nicht, daß er nach Saint-Cloud gefahren ist. Er erklärt, er habe niemanden getötet.
    2. Oktober – Joseph Heurtin wird zum Tode verurteilt. Er bestreitet nach wie vor seine Schuld.
    15. Oktober – Nach einem von der Polizei ausgearbeiteten Fluchtplan entweicht er aus der Santé, irrt die ganze Nacht durch Paris, landet im ›Citanguette‹, wo er sich unverzüglich schlafen legt.
    16. Oktober – Die Morgenzeitungen veröffentlichen kommentarlos die Meldung von Heurtins Flucht.
    Um zehn Uhr setzt ein Unbekannter in der Bar des ›Coupole‹ einen Brief an den Sifflet auf, der Einzelheiten über die polizeiliche Mithilfe bei dieser Flucht enthüllt. Der Betreffende ist Ausländer, schreibt absichtlich mit der linken Hand und leidet vermutlich an einer unheilbaren Krankheit.
    Um sechs Uhr abends steht Heurtin auf. Inspektor Dufour will ihm die Zeitung entreißen, die er in der Hand hält, und wird mit einer Wasserflasche zu Boden geschlagen. Heurtin macht sich die entstandene Verwirrung zunutze, zertrümmert die Lampe und flieht, während der Inspektor in seiner Panik einen Schuß auf ihn abgibt, der ihn jedoch verfehlt.
    17. Oktober – Um die Mittagszeit treffen sich William Crosby, seine Frau und Edna Reichberg zum Aperitif in der Bar des ›Coupole‹, wo sie als Stammgäste verkehren. Der Tscheche Radek sitzt an einem Tisch bei einem Café crème und einem Joghurt. Die Crosbys und Radek scheinen sich nicht zu kennen.
    Draußen vor der Tür wartet, erschöpft und halb verhungert, Joseph Heurtin.
    Die Crosbys verlassen das Lokal. Heurtin reagiert nicht darauf.
    Er wartet immer weiter, auch als nur noch Radek in der Bar sitzt.
    Um fünf Uhr

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