Maigret und das Verbrechen in Holland
Gesicht war d a bei ganz rosig geworden. Er schaute ganz gerührt auf die Weinflasche. Jean Duclos aß und war mit seinen G e danken woanders.
Und Pijpekamp hätte so gern ein bißchen Leben und Fröhlichkeit hineingebracht, eine ausgelassene Atm o sphäre geschaffen für dieses Mittagessen, dieses wahre Festessen à la française !
Man brachte den huchpot , das Nationalgericht. Fleisch schwamm in Litern von Soße, und Pijpekamp setzte eine geheimnisvolle Miene auf, als er sagte:
»Sie müssen mir sagen, ob es Ihnen schmeckt.«
Leider war Maigret nicht in Stimmung. Er witterte ein kleines Geheimnis in seiner Umgebung, das er sich noch nicht recht erklären konnte.
Ihm schien, daß es zwischen Jean Duclos und dem Polizeibeamten eine Art Verschwörung gab. Jedesmal, wenn dieser Maigrets Glas nachfüllte, schaute er kurz zum Professor hinüber.
Neben dem Ofen wurde Burgunder chambriert.
»Ich dachte, Sie trinken viel mehr Wein …«
»Das kommt darauf an …«
Duclos war bestimmt nicht ganz wohl zumute. Er vermied es, sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Er trank Mineralwasser unter dem Vorwand, er müsse Diät halten.
Pijpekamp hielt es nicht mehr länger aus. Er hatte von der Schönheit des Hafens, von der Bedeutung der Schiffahrt auf der Ems und von der Universität Groni n gen gesprochen, wo die berühmtesten Wissenschaftler Vorträge hielten.
»Wissen Sie, daß ich Neuigkeiten habe?«
»Tatsächlich?«
»Auf Ihr Wohl! Auf das Wohl der französischen Pol i zei! Ja, das Rätsel ist jetzt in etwa gelöst …«
Maigret schaute ihn mit seinen graugrünen Augen an, ohne die geringste Spur von Spannung oder Neugier zu zeigen.
»Heute morgen gegen zehn Uhr wurde mir gesagt, jemand warte auf mich in meinem Büro … Raten Sie wer?«
»Barens! Reden Sie weiter!«
Pijpekamp war darüber noch enttäuschter als über den geringen Eindruck, den der so luxuriös gedeckte Tisch auf seinen Gast gemacht hatte.
»Woher wissen Sie das? Man hat es Ihnen erzählt, nicht wahr?«
»Überhaupt nichts! Was wollte er?«
»Sie kennen ihn. Er ist sehr schüchtern, sehr … auf französisch … ja, verschlossen. Er traute sich kaum, mich anzusehen. Man hätte meinen können, er beginne gleich zu weinen. Er gestand, daß er in der Mordnacht nicht sofort an Bord gegangen sei, nachdem er von P o pingas weggegangen war …«
Und der Inspektor zwinkerte gleich ein paarmal.
»Verstehen Sie? Er liebt Beetje … Und er war eife r süchtig, weil Beetje mit Popinga getanzt hatte. Und er war böse, weil sie Kognak getrunken hatte. Er sah sie beide weggehen. Er ging ihnen von weitem nach. Er hat bis dicht zu seinem Lehrer aufgeschlossen …«
Maigret blieb unbarmherzig, obwohl er wußte, daß Pijpekamp alles für ein Zeichen des Erstaunens, der B e wunderung, des Mitbangens gegeben hätte.
»Auf Ihr Wohl, Herr Kommissar! Barens hat es nicht gleich gesagt, weil er Angst hatte, aber es ist die Wah r heit! Er hat gleich nach dem Schuß einen Mann ges e hen, der zum Holzhaufen rannte, wo er sich dann ve r steckt hat.«
»Er hat ihn Ihnen genau beschrieben, nicht wahr?«
»Ja.«
Der Inspektor wußte nicht, woran er war. Es war au s sichtslos, seinen Kollegen verblüffen zu wollen. Seine Geschichte war verpufft.
»Ein Matrose. Sicher ein ausländischer Matrose. Sehr groß, sehr schlank und ganz kahlgeschoren …«
»Und es gibt natürlich auch ein Schiff, das am näc h sten Tag ausgelaufen ist …«
»Seitdem sind drei ausgelaufen … Der Fall ist klar! Wir brauchen nicht in Delfzijl zu suchen. Ein Ausländer hat ihn getötet. Sicher ein Matrose, der Popinga von früher kannte, als er noch zur See fuhr. Ein Matrose, den er vielleicht bestrafen ließ, als er Offizier oder Kap i tän war …«
Jean Duclos zeigte Maigret beharrlich nur sein Profil. Pijpekamp gab Madame Van Hasselt, die in großer Aufmachung an der Kasse saß, ein Zeichen, damit sie eine neue Flasche brachte.
Es galt noch ein Meisterwerk zu essen, einen mit drei Sorten Krem garnierten Kuchen, auf dem obendrein noch der Name Delfzijl in Schokolade stand.
Und der Inspektor senkte bescheiden die Augen.
»Wenn Sie ihn bitte anschneiden wollen …«
»Haben Sie Cornelius wieder laufenlassen?«
Der Inspektor fuhr hoch, sah Maigret an, als ob er sich überlegte, ob dieser verrückt geworden sei.
»Aber …«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, vernehmen wir ihn gleich alle beide.«
»Nichts einfacher als das! Ich rufe gleich die Schule an.«
»Wenn Sie schon dabei
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