Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und das Verbrechen in Holland

Maigret und das Verbrechen in Holland

Titel: Maigret und das Verbrechen in Holland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
noch zwei- oder dreimal.
     
    … und das ist ein guter Kerl, der Hauptmann. Aber der Oberst, mein Lieber …
     
    Und diese volkstümliche, spöttische Stimme hallte durch das ordentlich aufgeräumte Wohnzimmer, in dem alle völlig unbeweglich dastanden.
    »Setzen Sie sich!« donnerte Maigret. »Machen Sie Tee! Reden Sie …«
    Er wollte durch das Fenster schauen, aber die Läden waren heruntergelassen. Er öffnete die Tür und rief:
    »Pijpekamp!«
    »Ja«, sagte eine Stimme im Dunkeln.
    »Ist er da?«
    »Hinter dem zweiten Baum, ja!«
    Maigret ging wieder hinein. Die Tür klappte zu. Der Sketch war zu Ende, und die Stimme des Sprechers kündigte an:
     
    … die Platte Odéon Nummer achtundzwanzigtausen d sechshundertfünfundsechzig …
     
    Ein kratzendes Geräusch. Eine Jazzplatte. Madame P o pinga preßte sich an die Wand. Hinter dem Sender hö r te man eine andere näselnde, ausländisch wirkende Stimme, und manchmal knackte es, dann kam die M u sik wieder.
    Maigret suchte Beetje mit dem Blick. Sie kauerte in einem Sessel. Sie weinte heftig und stammelte zwischen zwei Schluchzern:
    »Armer Conrad! Conrad!«
    Und Barens, weiß im Gesicht, biß sich auf die Li p pen.
    »Der Tee!« befahl Maigret Any.
    »Der ist noch nicht an der Reihe … Man hatte den Teppich aufgerollt … Conrad tanzte.«
    Beetje schluchzte noch heftiger. Maigret schaute auf den Teppich, auf den Eichentisch mit der bestickten Decke, auf das Fenster und auf Madame Wienands, die nicht wußte, was sie mit ihren Kindern machen sollte.
    10
    Jemand wartet ab
    M aigret überragte sie alle mit seiner Gestalt oder eher mit seiner ganzen Masse. Das Wohnzimmer war klein. Wie er an der Tür lehnte, schien der Ko m missar zu groß dafür zu sein. Er war ernst. Vielleicht war er nie mensc h licher als jetzt, als er langsam, mit etwas tonloser Sti m me sagte:
    »Die Musik spielt. Barens hilft Popinga den Teppich aufzurollen. In einer Ecke redet Jean Duclos und hört sich reden, sitzt Madame Popinga und Any gegenüber. Wienands und seine Frau wollen wegen der Kinder g e hen, sprechen leise miteinander. Popinga hat ein Glas Kognak getrunken, genug um ihn in Stimmung zu bringen. Er lacht. Er trällert. Er geht zu Beetje und fo r dert sie auf.«
    Madame Popinga schaute unverwandt auf den B o den. Any richtete ihre fiebrig glänzenden Augen weiter auf den Kommissar. Dieser fuhr fort:
    »Der Mörder weiß schon, daß er töten wird. Jemand beobachtet Conrad beim Tanzen und weiß, daß dieser Mann, der ein bißchen zu laut lacht, der sich trotz allem amüsieren will, der lebens- und liebeshungrig ist, in zwei Stunden eine Leiche sein wird …«
    Man spürte buchstäblich den Schock. Madame P o pinga machte den Mund auf und wollte schreien, brac h te aber keinen Ton heraus. Beetje schluchzte immer noch.
    Mit einem Schlag hatte sich die Stimmung geändert. Beinahe hätte man Conrad gesucht, Conrad, der tanzte, Conrad, den die Augen des Mörders belauerten.
    Allein Jean Duclos ließ fallen:
    »Das ist unerhört!«
    Und da ihm niemand zuhörte, redete er mit sich se l ber, in der Hoffnung, Maigret würde ihn hören:
    »Jetzt habe ich Ihre Methode begriffen, die nicht neu ist: Den Schuldigen in Angst und Schrecken versetzen, ihn beeinflussen, ihn in die Atmosphäre des Verbrechens zurückversetzen, um ihn zu einem Geständnis zu zwi n gen. Es gab welche, die in einer solchen Situation wider Willen ihre Bewegungen wiederholten.«
    Aber dies wurde nur undeutlich gemurmelt. Wer acht e te in einem solchen Augenblick schon auf solche Wo r te?
    Das Radio übertrug weiterhin Musik, die Stimmung wurde dadurch ein wenig lockerer.
    Nachdem seine Frau ihm etwas ins Ohr geflüstert hatte, stand Wienands schüchtern auf.
    »Ja, ja! Sie können gehen!« sagte Maigret, bevor er e t was gesagt hatte.
    Arme Madame Wienands, diese guterzogene Frau aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, die sich von jedem ve r abschieden wollte, ihre Kinder grüßen lassen wollte und nicht wußte, wie sie es anstellen sollte, die Madame P o pinga die Hand drückte und nicht wußte, was sie sagen sollte.
    Auf dem Kamin stand eine Pendeluhr. Sie zeigte fünf Minuten nach zehn Uhr.
    »Ist es noch nicht Zeit für den Tee?« fragte Maigret.
    »Doch!« antwortete Any, stand auf und ging in die Küche.
    »Entschuldigen Sie, Madame! Gingen Sie nicht mit Ihrer Schwester hinaus, um den Tee zu kochen?«
    »Etwas später.«
    »War sie in der Küche?«
    Madame Popinga strich sich mit der Hand über die Stirn. Sie gab

Weitere Kostenlose Bücher