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Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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müssen?«
    »Es kommt vor!« erwiderte Lannec ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Oft kann man dadurch ein paar Stunden gewinnen«, mischte sich Delcourt ein, der anscheinend die Rolle des Vermittlers spielen wollte.
    »Kapitän Joris ist nicht zu Ihnen an Bord gekommen?«
    »Als wir in der Schleuse waren, ja. Später nicht.«
    »Und Sie haben nichts gesehen, nichts Ungewöhnliches gehört?«
    »Auf Ihr Wohl! … Nein, nichts.«
    »Sie, Louis, haben Sie schon geschlafen?«
    »Vermutlich ja.«
    »Was sagen Sie?«
    »Ich sage, vermutlich ja … lange her.«
    »Sie haben Ihre Schwester nicht besucht?«
    »Vielleicht habe ich das … nicht lange.«
    »Hatte Ihnen Joris nicht verboten, sein Haus zu betreten?«
    »Gerede!« brummte der andere.
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Nichts! Alles Gerede! Brauchen Sie mich noch?«
    Es bestand kein ernsthafter Verdacht gegen ihn. Außerdem hatte Maigret nicht die geringste Lust, ihn zu verhaften.
    »Heute nicht.«
    Louis sagte auf bretonisch etwas zu seinem Chef, stand auf, leerte sein Glas und tippte an seine Mütze.
    »Was hat er Ihnen gesagt?« fragte der Kommissar.
    »Daß ich ihn nicht brauche für die Fahrt nach Caen und zurück. Ich treffe ihn also wieder, wenn ich nach dem Löschen zurückkomme.«
    »Wohin geht er?«
    »Das hat er nicht gesagt.«
    Delcourt schob dienstbeflissen den Kopf durch die Luke, lauschte, kam nach wenigen Augenblicken wieder herein.
    »Er ist an Bord des Schwimmbaggers.«
    »Wo an Bord?«
    »Haben Sie die beiden Baggerschiffe im Kanal nicht gesehen? Zur Zeit stehen sie still. Dort gibt es Schlafkojen. Seeleute schlafen lieber auf einem alten Schiff als in einem Hotel.«
    »Noch ein Glas?« bot Lannec an.
    Maigret blickte zwinkernd um sich und machte es sich dann gemütlich.
    »Welches war der erste Hafen, den Sie nach Ouistreham am 16. letzten Monats angelaufen haben?«
    »Southampton. Ich hatte dort Steine auszuladen.«
    »Danach?«
    »Boulogne.«
    »Sie sind seither nicht nach Norwegen gefahren?«
    »Ich bin nur einmal dorthin gefahren, vor sechs Jahren.«
    »Kannten Sie Joris sehr gut?«
    »Nun, wissen Sie, hier kennt sich ein jeder. Von La Rochelle bis Rotterdam … Auf Ihr Wohl! Das ist übrigens Schiedam, den ich aus Holland mitgebracht habe. Rauchen Sie Zigarren?«
    Er holte ein Kistchen aus einer Schublade.
    »Die kosten dort zehn Cents … einen Franc!«
    Sie waren dick, exakt gewickelt und trugen goldene Bauchbinden.
    »Seltsam«, murmelte Maigret. »Man hatte mir ausdrücklich versichert, daß Joris Sie an Bord aufgesucht hat, als Sie im Vorhafen lagen und daß jemand in seiner Begleitung war.«
    Aber Lannec war intensiv damit beschäftigt, die Spitze einer Zigarre abzuschneiden, und als er den Kopf wieder hob, war in seinem Gesicht keinerlei Gemütsbewegung zu erkennen.
    »Es gäbe keinen Grund, dies zu verheimlichen.«
    Jemand sprang draußen auf das Deck. Ein Kopf tauchte über der Treppe auf.
    »Der Dampfer aus Le Havre fährt ein!«
    Delcourt sprang schnell auf, sagte zu Maigret:
    »Die Schleuse muß freigemacht werden. Die ›Saint-Michel‹ muß jetzt raus!«
    Und Lannec:
    »Ich denke, ich darf meine Fahrt fortsetzen?«
    »Bis Caen?«
    »Ja! Der Kanal führt nirgendwo anders hin. Mit dem Entladen werden wir wahrscheinlich morgen abend fertig sein.«
    Sie schienen alle so ehrlich! Offenheit lag in ihren Gesichtern! Und dennoch klang das alles falsch! Aber es war so subtil, daß es unmöglich gewesen wäre, zu sagen, was falsch klang oder was falsch war.
    Brave Leute! Wenigstens sahen sie so aus, Lannec ebenso wie Delcourt, wie Joris, wie alle in der Seemannskneipe. Und machte Grand-Louis nicht auch den Eindruck eines liebenswerten Bösewichts?
    »Ich binde dich los, Lannec. Bleib sitzen!«
    Und der Hafenmeister ging hinaus, um die Trosse vom Poller zu lösen. Der Alte, dessen Kopf über der Treppe aufgetaucht war und der ganz durchfroren war, brummte mißgelaunt:
    »Grand-Louis hat sich wieder einmal davongemacht!«
    Er hißte Fock und Außenklüver, stieß den Schoner mit einem Bootshaken ab. Maigret sprang in letzter Sekunde an Land. Der Nebel hatte sich endgültig in Regen verwandelt, und man konnte jetzt alle Lichter im Hafen sehen, auch alle Gestalten und den Dampfer aus Le Havre, der ungeduldig das Signalhorn blies.
    Kurbeln quietschten. Wasser strömte durch die geöffneten Schütze. Das Großsegel des Schoners verdeckte die Sicht auf den Kanal.
    Von der Brücke aus sah Maigret die beiden Schiffsbagger, zwei gräßliche

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