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Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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jedenfalls.«
    Schweigen. Grand-Louis’ Blick war kalt geworden. Mechanisch nahm er eines der umgestürzten Gläser vom Tisch und füllte es.
    »Schade, daß Sie ihn nicht kennen. Er kommt nachher.«
    Das war alles. Es lohnte sich nicht, auch nur ein Wort hinzuzufügen. Niemand würde mehr antworten. Niemand würde auch nur zusammenzucken. Man spürte es an der Haltung, die sie eingenommen hatten.
    Monsieur Grandmaison hatte die Taktik geändert. Immer noch an den Kamin gelehnt – das Feuer hinter ihm mußte ihm auf den Waden brennen – schaute er so gleichgültig wie nur möglich auf den Boden.
    Ein komisches Gesicht! Weichliche Züge, übersät von roten und blauen Flecken, ein blutiges Kinn. Eine Mischung aus konzentrierter Energie und Panik oder auch Schmerz.
    Grand-Louis hatte sich rittlings auf einem Stuhl niedergelassen. Nachdem er drei- oder viermal gegähnt hatte, schien er jetzt zu dösen.
    Das Telefon klingelte. Schnell hob Maigret ab.
    »Hallo! Hôtel de Lutèce? Hallo! … Bleiben Sie dran! … Geben Sie mir bitte Madame Grandmaison … Ja … Sie muß heute abend oder heute nachmittag angekommen sein … Ja, ich warte …«
    »Sie haben doch wohl nicht die Absicht«, sagte der Bürgermeister mit matter Stimme, »meine Frau in Ihr etwas seltsam anmutendes Vorgehen hineinzuziehen!«
    Keine Antwort. Maigret wartete mit dem Hörer am Ohr, den Blick auf das Tischtuch geheftet.
    »Hallo? … Ja … Was sagen Sie? Sie ist schon wieder abgereist? Einen Augenblick … Gehen wir der Reihe nach. Um wieviel Uhr ist die Dame angekommen? … Um sieben, sehr schön. Mit ihrem Auto und ihrem Chauffeur … Sie sagen, sie hat im Hotel zu Abend gegessen und ist dann ans Telefon gerufen worden? … Und sie ist sofort aufgebrochen? … Danke … Nein, das genügt.«
    Niemand sagte etwas. Monsieur Grandmaison schien sich beruhigt zu haben. Maigret hing kurz den Hörer ein und wählte dann gleich wieder.
    »Hallo! Das Postamt in Caen? … Polizei. Können Sie mir sagen, ob die Nummer, von der aus ich anrufe, ein Gespräch nach Paris verlangt hat, abgesehen von dem, das ich gerade geführt habe? … Ja? … Ungefähr vor einer Viertelstunde? … Das Hôtel de Lutèce, nicht wahr? … Ich danke Ihnen!«
    Schweiß stand ihm auf der Stirn. Langsam stopfte er eine Pfeife, drückte den Tabak mit dem Zeigefinger fest. Dann schenkte er sich eines der Gläser voll, die auf dem Tisch standen.
    »Ich nehme an, Sie sind sich darüber klar, Kommissar, daß alles, was Sie in diesem Augenblick tun, ungesetzlich ist. Sie sind gewaltsam hier eingedrungen. Sie bleiben hier, ohne dazu aufgefordert zu sein. Sie wagen es, meine Familie in Panik zu versetzen und behandeln mich vor einem Dritten wie einen Schuldigen. Sie werden sich für all das verantworten müssen.«
    »Einverstanden.«
    »Da ich in meinem eigenen Haus nichts mehr zu gelten scheine, bitte ich Sie um Erlaubnis, schlafen gehen zu dürfen.«
    »Nein.«
    Und Maigret lauschte auf ein noch fernes Motorengeräusch.
    »Geh und mach ihnen die Tür auf, Lucas!«
    Mit einer mechanischen Bewegung warf er eine Schaufel voll Kohlen ins Feuer und drehte sich genau in dem Augenblick wieder um, als neue Leute das Zimmer betraten.
    Es waren zwei Gendarmen aus Evreux, die einen Mann mit Handschellen in ihrer Mitte hatten.
    »Sie können gehen«, sagte er zu den Polizisten. »Oder besser, Sie warten in der Kneipe an der Ecke auf mich, wenn es sein muß, die ganze Nacht.«
    Der Bürgermeister hatte sich nicht gerührt, ebensowenig Louis. Als hätten sie nichts gesehen oder als wollten sie nichts sehen. Der neue Gast verhielt sich ruhig. Beim Anblick von Monsieur Grandmaisons zerschundenem Gesicht huschte ein Lächeln über seine Lippen.
    »An wen darf ich mich wenden?« fragte er in die Runde blickend.
    Maigret zuckte mit den Schultern, als wollte er damit ausdrücken, daß die Gendarmen in ihrem Eifer doch ein bißchen übertrieben hatten. Er holte einen Schlüssel aus seiner Tasche und schloß die Handschellen auf.
    »Ich danke Ihnen … Ich war sehr erstaunt, daß …«
    Und Maigret fuhr ihn zornig an:
    »Daß was? Daß man Sie festgenommen hat? Sind Sie sicher, daß Sie so erstaunt darüber waren?«
    »Ich will sagen … ich warte immer noch darauf zu erfahren, was man mir vorwirft.«
    »Und wenn es nur ist, weil Sie ein Fahrrad gestohlen haben!«
    »Verzeihung! Geliehen! Der Autohändler, von dem ich den Wagen gekauft habe, wird es Ihnen bestätigen. Ich habe ihm das Rad mit dem Auftrag

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