Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
Deck, das Auf und Ab seiner Holzpantinen oder Stiefel. Dazu das dumpfe, regelmäßige Rauschen des Meeres. Der Kompaß und sein schwaches Licht. Die andere Laterne, die oben am Fockmast schaukelte …
    Die Finsternis durchbohrende Augen, nach dem Schein der Leuchttürme Ausschau haltend. Und die Entladekais. Zwei oder drei Tage, an denen man nichts zu tun hatte und die man in den überall gleichen Bistros verbrachte.
    Undefinierbare Geräusche klangen von oben herab. Döste jetzt nicht auch Grand-Louis vor sich hin, tief entrückt von allem? Ein kleiner Wecker zeigte schon drei Uhr. Die Flasche war fast leer.
    Lannec gähnte und suchte in seinen Taschen nach Zigaretten.
    Hatten sie die Nacht, in der Kapitän Joris verschwunden war, nicht ebenso verbracht, in derselben stickigen Treibhausluft, die nach Menschen und Kohlen roch? Und war Joris nicht bei ihnen, hatte er nicht mit ihnen getrunken und auch gegen diese Müdigkeit angekämpft?
    Diesmal waren es Stimmen, die man auf Deck hörte. Aber es war nur noch ein Flüstern, das durch den Sturm in die Kajüte drang.
    Maigret erhob sich mit gerunzelter Stirn. Er sah, daß Lannec sein Glas nachfüllte, daß Grand-Louis’ Kinn auf seine Brust gesunken war und daß er die Lider halb geschlossen hatte.
    Er legte die Hand auf seinen Pistolenhalfter, erklomm die Tritte der fast senkrechten Treppe.
    Die Luke war gerade so breit, daß ein Mann sie passieren konnte. Und der Kommissar war größer und dicker als die meisten Männer.
    Und so konnte er sich nicht einmal verteidigen! Sein Kopf tauchte kaum aus der Luke, da wurde ihm eine Binde auf den Mund gepreßt und im Nacken zusammengezerrt.
    Dies war die Arbeit der Männer an Deck, der Beitrag Célestins und eines anderen.
    Im gleichen Augenblick riß man ihm von unten den Revolver aus der rechten Hand und fesselte ihm die Hände auf den Rücken.
    Er trat heftig mit dem Fuß nach hinten. Er traf etwas, ein Gesicht, glaubte er. Aber gleich darauf wurden auch seine Beine gefesselt.
    »Zieh!« hörte man Grand-Louis gleichmütig sagen.
    Das war der schwierigste Teil. Er war schwer. Man schob von unten, zerrte von oben.
    Es regnete in Strömen. Der Wind stürmte mit unerhörter Kraft über das Wasser.
    Er glaubte vier Gestalten zu unterscheiden. Aber man hatte die Laterne ausgemacht. Und der Übergang von Wärme und Licht in das eisige Dunkel verwirrten seine Sinne.
    »Eins … zwei … hopp!«
    Man schwang ihn wie einen Sack. Er flog in hohem Bogen durch die Luft und schlug hart auf den nassen Steinen des Kais auf.
    Grand-Louis stieg ihm nach, beugte sich über jede der Fesseln und überzeugte sich, daß sie fest saßen. Für eine Sekunde war das Gesicht des ehemaligen Sträflings dem des Kommissars sehr nah, und er glaubte, eine schmerzliche Miene zu erkennen, als täte ihm das alles sehr leid.
    »Sagen Sie meiner Schwester …« begann er.
    Was sagen? Er wußte es selbst nicht. An Bord hörte man eilige Schritte, Quetschen und Knarren, halblaut gerufene Befehle. Die Focksegel waren gehißt. Das Großsegel zog sich langsam am Mast empor.
    »Sagen Sie ihr, daß ich sie eines Tages wiedersehen werde … Und wir uns vielleicht auch …«
    Mit einem plumpen Satz sprang er an Bord zurück. Maigret lag dem Meer zugewandt. Eine an einem Tauende befestigte Laterne erreichte die Spitze des Mastes. Eine schwarze Gestalt stand am Ruder.
    »Alle Leinen los!«
    Die Trosse glitt um den Poller, wurde eingeholt. Ein paar Sekunden lang schlugen die Segel laut im Wind. Der Bug entfernte sich von der Mole, und der Sturm erfaßte das Schiff mit so rasender Wucht, daß es sich fast um sich selbst gedreht hätte.
    Aber nein! Ein Ruderschlag brachte es wieder in den Wind. Es zögerte, suchte sich seinen Weg und verschwand plötzlich zwischen den Molen.
    Eine dunkle Masse in der Finsternis. Ein schwacher Lichtpunkt an Deck und ein anderer am Mast, sehr hoch und schon wie ein verirrter Stern an einem Zyklonenhimmel.
    Maigret konnte sich nicht bewegen. Wie leblos lag er in einer Wasserlache am Ufer des unendlichen Meeres.
    Würden die auf dem Schiff, um sich Mut zu machen, jetzt nicht die Schnapsflasche leeren? Man würde noch zwei Briketts ins Feuer legen … Ein Mann am Ruder. Die anderen in den feuchtkalten Kojen … Vielleicht war ein salzigerer Tropfen unter den flüssigen Perlen, die über das Gesicht des Kommissars rannen.
    Ein großer und starker Mann, ein Mann in den besten Jahren, der energischste und bedeutendste Mann vielleicht bei der

Weitere Kostenlose Bücher