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Maigret und der Spion

Maigret und der Spion

Titel: Maigret und der Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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diesem Delfosse und all den dreckigen We i bern herumtreibst! … Vor einer halben Stunde platzte die Gemüsehändlerin herein. Madame Velden, ganz a u ßer Atem … Mademoiselle Pauline saß gerade bei mir unten. Und vor ihr hat Madame Velden mir erzählt, daß ein Mann sie aufgesucht hat, um Auskünfte über dich und uns einzuholen … Ein Mann, der sicher von der Polizei ist! … Und ausgerechnet an Madame Velden mußte er sich wenden, das schlimmste Lästermaul weit und breit. Inzwischen dürfte das ganze Viertel Bescheid wissen … «
    Sie war aufgestanden. Mechanisch goß sie kochendes Wasser in den Filter der Kaffeekanne. Dann holte sie ein Tischtuch aus dem Schrank.
    »Das ist also der Dank dafür, daß wir solche Opfer für deine Ausbildung gebracht haben! … Die Polizei, die sich mit uns befaßt, vielleicht sogar ins Haus kommt! … Ich weiß nicht, wie dein Vater darauf reagieren wird … Ich weiß nur, daß meiner dich aus dem Haus gejagt hä t te … Wenn ich mir vorstelle, daß du nicht einmal sie b zehn bist! … Er ist selber schuld, dein Vater! Er läßt zu, daß du bis zwei, drei Uhr morgens fort bleibst. Und wenn ich mich dann aufrege, ergreift er für dich Partei … «
    Ohne zu wissen, warum, war Jean plötzlich sicher, daß der sogenannte Polizist der Mann mit den breiten Schultern war. Verbissen starrte er zu Boden.
    »Du sagst also nichts? Du willst nicht damit herausrücken?«
    »Ich habe nichts getan, Mutter.«
    »Würde die Polizei sich mit dir beschäftigen, wenn du nichts getan hättest?«
    »Es ist nicht sicher, daß es die Polizei war!«
    »Und wer sollte es sonst sein?«
    Er fand plötzlich den Mut zu lügen, um diesem scheußlichen Auftritt endlich ein Ende zu machen.
    »Vielleicht Leute, die mich als Angestellten brauchen könnten und sich Auskunft zu verschaffen suchen … Dort wo ich jetzt arbeite, werde ich schlecht bezahlt … Ich habe mich verschiedenerorts nach einer neuen Stelle umgesehen.«
    Sie sah ihn durchdringend an.
    »Du lügst!«
    »Ich schwöre dir … «
    »Bist du sicher, daß Delfosse und du keine Dum m heit angestellt habt?«
    »Ich schwöre, Mutter … «
    »Dann solltest du aber schleunigst zu Madame Velden gehen … Sie braucht nicht unbedingt überall herumzuschwätzen, daß die Polizei dich sucht!«
    Die Haustür wurde geöffnet. Monsieur Chabot zog seinen Mantel aus, hängte ihn an die Garderobe, trat in die Küche und ließ sich in seinem Korbsessel nieder.
    »Schon zu Hause, Jean?«
    Er bemerkte die roten Augen seiner Frau und das ve r drossene Gesicht des jungen Mannes.
    »Was gibt’s?«
    »Nichts! … Ich habe mit Jean geschimpft … Ich will nicht mehr, daß er zu ungehörigen Zeiten nach Hause kommt. Als hätte er es nicht gut genug hier bei uns in seiner Familie … «
    Sie deckte den Tisch, goß die Tassen ein. Beim Essen las Monsieur Chabot die Zeitung und machte seine B e merkungen dazu.
    »Noch so eine Geschichte, die Staub aufwirbeln wird! … Eine Leiche in einem Weidenkoffer … Natürlich, ein Ausländer! … Bestimmt ein Spion … «
    Dann fiel ihm etwas anderes ein:
    »Hat Monsieur Bogdanowski bezahlt?«
    »Noch nicht. Er sagte, er erwarte das Geld am Mit t woch.«
    »Wie schon seit Wochen! Aber am Mittwoch mußt du ihm klarmachen, daß es so nicht weitergeht … «
    Die Atmosphäre war dumpf, die Luft voll vertrauter Gerüche, mit Lichtreflexen auf den Kupferpfannen und dem bunten Fleck eines Reklamekalenders, der seit drei Jahren an der Wand hing und als Zeitungshalter diente.
    Während Jean das Essen mechanisch hinunterschlang, wurde er allmählich von einer Art Betäubung ergriffen. In dieser familiären Umgebung überkamen ihn nachgerade Zweifel an der Realität der Ereignisse dort draußen. So hatte er Mühe, sich vorzustellen, daß er zwei Stunden zuvor im Zimmer einer Tänzerin gew e sen war, die sich ungeniert vor ihm die Strümpfe ang e zogen hatte, den Morgenrock klaffend über einem ble i chen, fleischigen und etwas schlaffen Körper.
    »Hast du dich nach dem Haus erkundigt?«
    »Nach welchem Haus?«
    »Dem Haus in der Rue Féronstrée.«
    »Ich … Also, ich hab’s vergessen.«
    »Wie gewohnt!«
    »Ich hoffe, du ruhst dich heute abend einmal aus! Du siehst miserabel aus!«
    »Ja, heute gehe ich nicht weg. «
    »Das wäre diese Woche das erste Mal«, warf Madame Chabot ein, die noch immer nicht ganz beruhigt war und mißtrauisch Ausdruck und Mienenspiel ihres So h nes beobachtete.
    Der Briefkasten schepperte. Jean war sicher,

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