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Maigret und der Spion

Maigret und der Spion

Titel: Maigret und der Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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«
    Die Situation war durchaus mit der eines Krankenha u ses vergleichbar, wenn sich die Ärzte um das Bett eines P a tienten versammeln, der verzweifelt mit dem Tod ringt.
    Zu fünft standen sie um einen jungen Burschen, e i nen Halbwüchsigen, herum. Fünf Männer, in den b e sten Jahren, die schon ganz anderes erlebt hatten und die sich nicht erweichen lassen wollten.
    »Los, komm! Steh auf!« sagte der Kommissar ung e duldig.
    Und Chabot tat, wie ihm geheißen. Sein Widerstand war gebrochen. Der Anfall hatte ihn entnervt. Angstvoll blickte er um sich, wie ein Tier, das den Kampf aufgibt.
    »Ich flehe Sie an … «
    »Sag uns lieber, woher das Geld kommt!«
    »Ich weiß nicht … Ich schwöre … Ich … «
    »Schwör nicht andauernd!«
    Der schwarze Anzug war voller Staub. Und als sich Chabot mit den schmutzigen Händen über das Gesicht fuhr, zog er auf seinen Wangen gräuliche Schmiersp u ren.
    »Mein Vater ist sowieso schon krank … Ein Herzle i den … Er hat letztes Jahr einen Anfall gehabt, und der Arzt dringt darauf, daß ihm jede Aufregung erspart wird. «
    Er sprach mit monotoner Stimme. Er war ganz benommen.
    »Dann hättest du eben keine Dummheiten anstellen sollen, Kleiner! … Und jetzt packst du besser aus … Wer hat zugeschlagen? … Warst du’s? War’s Delfosse? … Noch so einer, der auf die schiefe Bahn geraten mußte! … Und wenn man einen von euch hart anfassen muß, dann ihn!«
    Ein weiterer Polizist kam herein, grüßte die anderen fröhlich und setzte sich an seinen Platz, wo er in einigen Akten blätterte.
    »Ja, junger Mann, so kommt man auf die schiefe Bahn … Also, packen Sie aus! Es ist das Gescheiteste, was Sie tun können … Man hält es Ihnen vielleicht sp ä ter zugute.«
    Das Telefon klingelte. Alles schwieg, bis auf den I n spektor, der abnahm.
    »Hallo! Ja … Gut! … Sagen Sie ihm, daß der Le i chenwagen gleich vorbeikommt. «
    Und zu den anderen gewendet, als er aufgelegt hatte:
    »Es geht um das Dienstmädchen, das sich umg e bracht hat. Die Herrschaften können die Leiche nicht schnell genug loswerden. «
    »Ich habe ihn nicht getötet. Ich wußte noch nicht einmal … «
    »Gut, nehmen wir an, du hast ihn nicht getötet … «
    Nun, da der Kommissar den jungen Mann duzte, gab er sich viel väterlicher.
    »Zumindest weißt du etwas … Das Geld ist nicht von allein in deine Tasche gekommen … Gestern hattest du noch keines, und heute hast du welches … Gebt mal einen Stuhl für ihn rüber … «
    Denn Chabot schwankte regelrecht. Er konnte sich nicht mehr aufrecht halten. Er ließ sich auf den Stuhl mit strohgeflochtenem Sitz fallen und stützte den Kopf in beide Hände.
    »Laß dir Zeit mit antworten. Laß dir Zeit … Du mußt dir aber klar machen, daß du so noch immer am besten aus der Sache herauskommst … Immerhin bist du noch keine Siebzehn … Du kommst vor den Jugen d richter … Und riskierst kaum mehr als das Erziehung s heim … «
    Chabot kam plötzlich eine Idee, und er schaute sich weniger trüben Blicks um. Einen nach dem anderen musterte er seine Peiniger. Keiner ähnelte dem Mann mit den breiten Schultern.
    Hatte er sich möglicherweise in ihm getäuscht? G e hörte der Unbekannte tatsächlich zur Polizei? Oder war nicht vielmehr er der Mörder? Er war am Vorabend im ›Gai-Moulin‹ gewesen. Er war noch geblieben, als die beiden jungen Leute gegangen waren!
    War er ihnen vielleicht gefolgt, um dafür zu sorgen, daß sie statt seiner verhaftet wurden?
    »Ich glaube, ich sehe jetzt klar!« rief er, keuchend vor Hoffnung. »Ja, ich glaube, ich kenne den Mörder … Ein sehr großer, sehr kräftiger Mann mit glattrasiertem G e sicht.«
    Der Kommissar zuckte mit den Schultern. Doch Chabot ließ sich nicht beirren.
    »Er kam unmittelbar nach dem Türken ins ›Gai-Moulin‹ … Er war allein … Ich habe ihn heute wiede r gesehen, als er mir folgte … Er hat sich auch bei der Gemüsehändlerin über mich erkundigt. «
    »Wovon redet er eigentlich?«
    Inspektor Perronet knurrte:
    »Ich weiß nicht genau. Aber es gab im ›Gai-Moulin‹ tatsächlich einen Gast, den niemand kannte … «
    »Wann ist er gegangen?«
    Der Kommissar betrachtete Chabot aufmerksam, der wieder Hoffnung schöpfte, wandte sich dann aber von ihm ab und den andern zu:
    »Ja, wie ist die genaue Reihenfolge, in der die Leute gegangen sind?«
    »Zuerst die beiden jungen Burschen … Allerdings ein irreführender Abgang, denn, wie sich herausgestellt hat, haben sie sich im Keller

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