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Maigret und der Spion

Maigret und der Spion

Titel: Maigret und der Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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feuchtglänzendem Gesicht. Ein eigensinniger Schlaf, in den sie sich hartnäckig zu verkriechen schien.
    Als Delfosse sich die Schuhe anzog, bemerkte er auf dem Tisch die Handtasche seiner Gefährtin. Da kam ihm ein Gedanke. Er vergewisserte sich, daß der Polizist noch draußen stand. Dann wartete er, bis Adèles Ate m züge wieder regelmäßiger wurden.
    Lautlos öffnete er die Handtasche. In einem bunten Durcheinander von Rouge, Puderdose und alten Bri e fen enthielt sie ungefähr neunhundert Franc, die er ei n stec k te.
    Sie hatte sich nicht gerührt. Auf Zehenspitzen ging er zur Tür. Er ging die Treppe hinunter, doch statt auf die Straße zu treten, wandte er sich zum Hof. Es war der Hof des Lebensmittelgeschäfts, voller Kisten und Fässer. Eine Toreinfahrt führte auf eine andere Straße, auf der Lastwagen warteten.
    Delfosse mußte sich zusammennehmen, um nicht zu rennen. Eine halbe Stunde später erreichte er schwei ß gebadet die Gare des Guillemins.
     
    Inspektor Girard schüttelte dem zu ihm tretenden Ko l legen die Hand.
    »Was gibt’s?«
    »Der Kommissar will, daß du ihm den Burschen und die Tänzerin bringst. Hier sind die Vorführungsbefehle. «
    »Hat der andere gestanden?«
    »Er streitet alles ab! Er erzählt vielmehr eine wirre G e schichte von Geld, das sein Freund in einem Süßware n geschäft gestohlen haben soll. Sein Vater ist jetzt da. L u stig ist das nicht … «
    »Kommst du mit hinauf?«
    »Der Chef hat nichts weiter gesagt … Warum nicht?   … «
    Sie betraten das Gebäude, klopften an die Tür des Zimmers. Niemand antwortete. Daraufhin drehte I n spektor Girard den Türknauf. Die Tür ging auf. Als hä t te sie die Gefahr gespürt, wurde Adèle plötzlich wach, stützte sich auf die Ellenbogen und fragte mit belegter Stimme:
    »Was ist los?«
    »Polizei. Ich habe einen Vorführungsbefehl für euch beide … Aber, zum Donnerwetter, wo ist der Bursche hin?«
    Sie blickte sich ebenfalls nach ihm um, während sie die Beine aus dem Bett schob. Eine Art Instinkt ließ sie nach ihrer Handtasche ausschauen, und als sie sie offen sah, griff sie eiligst danach, durchsuchte sie fieberhaft und stieß hervor:
    »Der Schuft! Er ist mit meinem Geld abgehauen! … «
    »Wußten Sie nicht, daß er weg ist?«
    »Ich habe geschlafen … Aber das wird er mir büßen! Seht euch diese Gauner von Herrensöhnchen an! … «
    Girard hatte ein goldenes Zigarettenetui auf dem Nachttisch entdeckt.
    »Wem gehört das?«
    »Er muß es vergessen haben … Er hatte es gestern abend in den Händen … «
    »Ziehen Sie sich an!«
    »Bin ich verhaftet?«
    »Ich habe jedenfalls einen Vorführungsbefehl für eine gewisse Adèle Bosquet, von Beruf Tänzerin. Ich nehme an, daß Sie das sind?«
    »Na gut!«
    Sie war nicht besonders erschreckt. Ihre Hauptsorge schien nicht die Verhaftung zu sein, sondern der Die b stahl, dessen Opfer sie geworden war.
    Und sogar noch während sie sich das Haar vor dem Spiegel richtete, wiederholte sie zwei- oder dreimal:
    »Dieser Schuft! … Und ich habe seelenruhig geschl a fen … «
    Die beiden Polizisten sahen sich mit erfahrenen A u gen um, warfen sich vielsagende Blicke zu.
    »Glauben Sie, es dauert länger?« erkundigte sie sich weiter. »Weil ich sonst nämlich Wäsche zum Wechseln mitnehme … «
    »Keine Ahnung! Wir führen nur Befehle aus!«
    Sie zuckte die Achseln und seufzte:
    »Da ich mir nichts vorzuwerfen habe … «
    Und, zur Tür tretend:
    »Ich warte … Haben Sie denn wenigstens einen W a gen? … Nicht? … Dann gehe ich lieber allein. Sie bra u chen mir bloß zu folgen. «
    Wütend ließ sie den Verschluß ihrer Handtasche z u schnappen, die sie mitnahm, während der Inspektor das Zigarettenetui in seine Tasche gleiten ließ.
    Als sie draußen waren, schlug sie von allein den Weg zum Polizeirevier ein, wo sie ohne zu zögern eintrat und erst im breiten Flur stehenblieb.
    »Hier entlang!« sagte Girard. »Einen Augenblick! Ich frage den Chef, ob … «
    Ein mißratenes Manöver. Sie war schon hineingega n gen! Und auf den ersten Blick erfaßte sie die Situation. Offensichtlich wartete man auf sie, denn alle waren u n tätig. Der Kommissar mit dem roten Schnurrbart ging auf und ab. Chabot, die Ellenbogen auf einen Schrei b tisch aufgestützt, versuchte, ein Sandwich zu essen, das man ihm gebracht hatte. Sein Vater stand mit gesen k tem Kopf in einer Ecke.
    »Und der andere?« fragte der Kommissar, als er Adèle in Begleitung Girards eintreten sah.
    »Entwischt!

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