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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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den großen Lokalen genug haben und nicht mehr wissen, wo sie hingehen sollen, schicken wir einen ›Schlepper‹ hier in der Gegend herum, der den Leuten solch eine Karte in die Hand drückt oder sie unauffällig in die Autos und Taxis legt. Bei uns beginnt ja der Betrieb immer erst, wenn bei den anderen schon Schluß ist. Verstehen Sie?«
    Er verstand. Wer hierher kam, hatte zumeist den ganzen Abend schon hier und dort auf dem Montmartre verbracht, ohne dennoch zu finden, was er suchte und probierte nun zum letzten Male sein Glück.
    »Die meisten Ihrer Gäste kommen wohl schon ziemlich betrunken her?«
    »Ja, das kann man sagen.«
    »War’s in der letzten Nacht gut besucht?«
    »Nein, da war ja Montag. Montag ist bei uns nie viel los.«
    »Können Sie von dort, wo Sie sich aufhalten, sehen, was im Lokal vorgeht?«
    Sie deutete auf eine Tür im Hintergrund, links von dem Podium, wo ein Schild mit der Aufschrift ›Zu den Toiletten‹ hing. Dieser Tür gegenüber befand sich eine andere, an der nichts zu lesen war.
    »Ich bin fast immer dort. Wir haben im allgemeinen kein Essen, aber manchmal wollen Gäste eine Zwiebelsuppe, Leber oder kalten Hummer haben. Dann gehe ich für eine Weile in die Küche.«
    »Mit anderen Worten, Sie sind ständig im Saal?«
    »Die meiste Zeit. Ich lauere immer darauf, ob eine Dame kommt, und im geeigneten Augenblick gehe ich herum und biete Schokolade, Blumen oder Puppen zum Verkauf an. Sie können sich ja denken, wie das hier so zugeht.«
    Sie versuchte nicht, ihm Sand in die Augen zu streuen. Mit einem Seufzer der Erleichterung hatte sie sich hingesetzt und von ihrem einen geschwollenen und verkrüppelten Fuß den Pantoffel abgestreift. »Was möchten Sie eigentlich wissen? Nicht daß ich Sie drängen will, aber es wird sowieso bald Zeit, daß ich Fred wecke. Wie alle Männer braucht er mehr Schlaf als wir Frauen.«
    »Wann sind Sie zu Bett gegangen?«
    »Gegen fünf Uhr. Manchmal wird’s aber sieben, ehe ich hinaufkomme.«
    »Und wann sind Sie aufgestanden?«
    »Vor einer Stunde. Ich habe gerade Zeit zum Fegen gehabt, wie Sie sehen.«
    »Hat Ihr Mann sich zur gleichen Zeit wie Sie schlafen gelegt?«
    »Er ist fünf Minuten vor mir hinaufgegangen.«
    »War er heute vormittag nicht aus?«
    »Er hat sich nicht aus dem Bett gerührt.«
    Sie wurde etwas unruhig, daß er dauernd von ihrem Mann sprach.
    »Um ihn handelt’s sich doch wohl nicht?«
    »Nein, nicht um ihn, sondern um zwei Männer, die heute nacht gegen zwei Uhr herkamen und sich in eine der Logen gesetzt haben. Erinnern Sie sich noch an sie?«
    »Zwei Männer?«
    Sie blickte die Tische entlang und schien in ihrem Gedächtnis zu suchen.
    »Wissen Sie noch, wo Arlette saß, bevor sie ihren zweiten Auftritt hatte?«
    »Sie war in Begleitung ihres jungen Freundes, ja. Ich habe ihr sogar gesagt, sie vertue nur ihre Zeit mit ihm.«
    »Kommt er oft?«
    »Er war in der letzten Zeit drei- oder viermal hier. Es gibt so welche, die sich mal her verirren und sich dann in eins der Mädchen verlieben. Ich sage ihnen immer wieder, einmal schadet’s nichts, wenn’s ihnen Spaß macht, aber sie sollen dafür sorgen, daß sie nicht wiederkommen. Ja, sie haben beide in der Box Nr. 6 gesessen, in der dritten von der Straße aus gesehen. Ich konnte sie von meinem Platz aus beobachten. Er hat ihr die ganze Zeit die Hände gehalten und ihr mit verliebter Miene allerlei Süßes ins Ohr geflüstert, wie sie das immer in solchen Fällen tun.«
    »Und in der Box daneben?«
    »Da habe ich niemanden gesehen.«
    »Den ganzen Abend nicht?«
    »Das ist leicht herauszufinden. Die Tische sind noch nicht abgewischt. Wenn dort Gäste gesessen haben, müssen da noch Zigaretten- oder Zigarrenstummel im Aschenbecher liegen und die Ränder von den Gläsern auf dem Tisch zu sehen sein.«
    Sie blieb ruhig sitzen, während er an den Tisch ging, um sich selber davon zu überzeugen.
    »Ich sehe nichts.«
    »Wäre gestern ein anderer Tag gewesen, würde ich das nicht so fest behaupten, aber montags ist immer so wenig Betrieb, daß wir schon daran gedacht haben, an dem Tag zu schließen. Es waren gestern höchstens zwölf Gäste hier, möchte ich schwören. Mein Mann wird es Ihnen bestätigen können.«
    »Kennen Sie Oskar?« fragte er sie unvermittelt.
    Sie fuhr nicht zusammen, aber er hatte den Eindruck, daß sie nicht so ganz mit der Sprache herauswollte.
    »Was für einen Oskar?«
    »Ein Mann in mittleren Jahren, klein, dick, mit grauem Haar.«
    »Mit der

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