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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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sagte, hielt sie meine Hände krampfhaft fest.«
    »War sie schon betrunken?«
    »Vielleicht. Sie hatte bestimmt viel getrunken, aber sie war doch noch ganz klar. Ich habe sie fast immer so gesehen, sonderbar erregt und mit einem traurigen oder einem sehr heiteren Ausdruck in den Augen.«
    »Hast du mit ihr geschlafen?«
    Lapointe funkelte den Kommissar fast gehässig an:
    »Nein.«
    »Hast du sie nie darum gebeten?«
    »Nein.«
    »Und sie dich auch nicht?«
    »Niemals.«
    »Hat sie vor dir so tun wollen, als ob sie noch unschuldig war?«
    »Sie hat sich vielen Männern hingegeben, aber sie hat sie alle gehaßt.«
    »Weshalb?«
    »Deswegen.«
    »Weswegen?«
    »Wegen dem, was sie ihr antaten. Sie war noch ganz jung, als sie das erlebt hat, ich weiß nicht unter welchen Umständen. Jedenfalls ist sie es nie mehr losgeworden. Immer wieder hat sie mir von einem Mann erzählt, vor dem sie große Angst hatte.«
    »Oskar?«
    »Sie hat seinen Namen nie erwähnt. Nicht wahr, Sie sind überzeugt, daß sie nur mit mir gespielt hat und daß ich ein Kindskopf bin? Aber das ist mir gleich. Sie ist tot, und das beweist in jedem Fall, daß sie sich mit gutem Grund gefürchtet hat.«
    »Hast du niemals das Verlangen gehabt, mit ihr zu schlafen?«
    »Ja, am ersten Abend, als ich dort mit meinem Freund war«, gestand er. »Haben Sie sie einmal gesehen, als sie noch lebte? Ach ja, stimmt ja, heute früh erst, als sie völlig übermüdet war. Wenn Sie sie aber sonst einmal gesehen hätten, würden Sie verstehen… Keine Frau…«
    »Keine Frau…?«
    »Das ist schwer zu erklären. Alle Männer waren hinter ihr her. Wenn sie ihren Auftritt hatte.«
    »Hat sie mit Fred geschlafen?«
    »Sie hat sich ihm wie den anderen hingeben müssen.«
    Maigret bemühte sich herauszufinden, wieweit Arlette sich ihm anvertraut hatte.
    »Wo?«
    »In der Küche. Rosa wußte es. Sie wagte nichts dagegen zu sagen, weil sie immer Angst hatte, ihren Mann zu verlieren. Haben Sie sie gesehen?«
    Maigret nickte.
    »Hat sie Ihnen gesagt, wie alt sie ist?«
    »Ich nehme an, sie ist über die Fünfzig hinaus.«
    »Sie ist beinahe siebzig, und Fred ist zwanzig Jahre jünger als sie. Sie soll eine der schönsten Frauen ihrer Generation gewesen und von steinreichen Männern ausgehalten worden sein. Sie liebt ihn wirklich. Sie vermeidet es ängstlich, ihre Eifersucht zu zeigen, und legt es darauf an, daß er nur in ihrem eigenen Hause fremdgeht. Das erscheint ihr weniger gefährlich, verstehen Sie?«
    »Ich verstehe.«
    »Sie war wegen Arlette besorgter als wegen der anderen, und sie hat sie unaufhörlich beobachtet. Aber eben gerade Arlette verdankten sie, daß das Lokal ging. Jetzt, wo sie nicht mehr da ist, wird kaum noch jemand dorthin kommen. Die anderen Mädchen sind so, wie man sie in allen Kabaretts auf dem Montmartre findet.«
    »Was ist in der letzten Nacht vorgefallen?«
    »Hat sie davon gesprochen?«
    »Sie hat Lucas gesagt, du seiest bei ihr gewesen, aber sie hat nur deinen Vornamen genannt.«
    »Ich bin bis halb drei geblieben.«
    »An welchem Tisch?«
    »Nummer 6.«
    Er sprach wie ein Stammgast und sogar wie jemand, der dort ganz zu Hause war.
    »Waren in der Nebenbox Gäste?«
    »In vier nicht. In acht saß eine ganze Schar, Männer und Frauen, die großen Lärm machten.«
    »So daß du, wenn jemand in vier gesessen hätte, ihn gar nicht bemerkt hättest.«
    »Doch, ich hätte ihn bemerkt. Ich wollte nicht, daß man hörte, was ich sagte, und darum bin ich immer wieder aufgestanden, um zu sehen, wer jenseits der Wand saß.«
    »Hast du nicht an irgendeinem Tisch einen kleinen, dicken älteren Mann mit grauem Haar gesehen?«
    »Nein.«
    »Und hattest du den Eindruck, daß Arlette, während du mit ihr sprachst, ein anderes Gespräch erlauschte?«
    »Nein, bestimmt nicht. Warum?«
    »Willst du die Ermittlungen mit mir durchführen?«
    Lapointe sah Maigret überrascht an und stammelte dann überglücklich: »Das soll ich, obwohl…«
    »Hör jetzt mal gut zu, denn das ist wichtig. Um vier Uhr morgens hat sich Arlette vom Picratt zum Revier in der Rue La Rochefoucauld begeben. Nach der Aussage des Wachtmeisters war sie sehr erregt und schwankte ein wenig.
    Hat sie dir etwas von zwei Männern gesagt, die am Tisch Nummer 4 saßen, während sie mit dir am Tisch Nummer 6 saß? Deren Unterhaltung will sie zum Teil aufgeschnappt haben.«
    »Aber warum hat sie das gesagt?«
    »Das weiß ich auch nicht. Sobald wir das wissen, sind wir sicher ein gutes Stück weiter.

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