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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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habe ich immer wieder gefragt. Aber es scheint nicht der Fall gewesen zu sein. Meistens kam sie gegen fünf Uhr morgens. Die Männer waren immer reichlich angetrunken, wohl Gäste aus dem Picratt.«
    »Blieb sie lange mit ihnen dort?«
    »Nie länger als eine oder zwei Stunden.«
    »Hast du nicht herausbekommen, ob sie sich dafür Geld geben ließ?«
    »Bei der Frage haben mich die Wirte immer angesehen, als käme ich vom Mond. Im ›Modern‹ ist sie zweimal mit einem jungen Mann gewesen, der einen Saxophonkoffer trug.«
    »Jean-Jean, der Musiker aus dem Lokal.«
    »Das ist möglich. Das letztemal war sie mit ihm vor vierzehn Tagen dort. Kennen Sie das Hotel Du Berry in der Rue Blanche? Es ist nicht weit vom Picratt und der Rue Notre-Dame-de-Lorette. Sie ist dort oft gewesen. Die Wirtin ist sehr geschwätzig, denn sie hat schon wegen minderjähriger Mädchen mit uns Scherereien gehabt und möchte sich darum jetzt beliebt machen. Arlette war vor wenigen Wochen eines Nachmittags dort mit einem kleinen, breitschultrigen Mann, dessen Haar an den Schläfen schon ergraut war.«
    »Kennt die Frau ihn nicht?«
    »Sie glaubt ihn vom Sehen zu kennen, weiß aber nicht, wer er ist. Sie behauptet, er sei bestimmt aus dem Viertel. Sie sind in dem Zimmer bis neun Uhr abends geblieben. Das ist ihr aufgefallen, weil Arlette fast nie tagsüber oder am Abend kam und vor allem, weil sie gewöhnlich immer sehr schnell wieder ging.«
    »Du wirst dir ein Foto von Fred Alfonsi beschaffen und es ihr zeigen.«
    Janvier, der den Wirt vom Picratt nicht kannte, runzelte die Brauen.
    »Wenn er das ist, dann hat ihn Arlette auch noch anderswo getroffen. Moment, ich will mal eben in meiner Liste nachsehen. Im Hotel Lepic in der Rue Lepic. Dort hat mich ein Mann empfangen, der nur noch ein Bein hat und der die ganze Nacht immer Romane liest, weil er, wie er behauptet, Schmerzen an dem Stumpf hat und darum nicht schlafen kann. Er hat sie sofort wiedererkannt. Sie war mehrmals dort, vor allem, wie er mir gesagt hat, mit einem Mann, den er oft auf dem Markt gesehen, aber dessen Namen er nicht weiß. Ein kleiner, untersetzter Mann, der gewöhnlich erst gegen Mittag seine Einkäufe in der Nachbarschaft machte und sich dafür nicht einmal einen Kragen umband. Könnte der das nicht sein?«
    »Das ist durchaus möglich. Du mußt mit einem Bild von Alfonsi die ganzen Hotels noch einmal abklappern. In seiner Akte ist zwar eins, aber das ist schon zu alt.«
    »Kann ich ihn selbst um eins bitten?«
    »Laß dir einfach seinen Personalausweis geben, unter dem Vorwand, er müsse überprüft werden, und laß dann das Bild reproduzieren.«
    Der Bürodiener kam herein und meldete, daß eine Dame Maigret sprechen wolle.
    »Laß sie einen Augenblick warten.«
    »Marcoussis sieht gerade die Post durch«, fuhr Janvier fort. »Es scheinen einige Briefe wegen der Identität Arlettes dabei zu sein. Heute morgen ist schon zwanzigmal angerufen worden. Es wird alles noch nachgeprüft, aber ich glaube nicht, daß etwas Gescheites herauskommt.«
    »Hast du alle nach Oskar gefragt?«
    »Ja. Aber es ist keiner darauf angesprungen, oder man hat mir Oskars aus der Gegend genannt, auf die die Personenbeschreibung in keiner Weise zutrifft.«
    »Laß Lapointe hereinkommen.«
    Lapointe machte einen beunruhigten Eindruck. Er wußte, daß die beiden Männer eben von Arlette gesprochen hatten, und fragte sich, warum man ihn nicht wie sonst zu der Unterhaltung hinzugezogen hatte. Mit einem fast flehenden Blick sah er den Kommissar an.
    »Setz dich, mein Junge. Wenn wir was Neues wüßten, würde ich’s dir sagen, aber wir sind kaum weiter als gestern.«
    »Sind Sie die ganze Nacht dort gewesen?«
    »Ja, und genau auf dem Platz, wo du in der Nacht vorher gesessen hast. Hat sie dir übrigens jemals etwas von ihrer Familie erzählt?«
    »Das einzige, was ich weiß: sie ist von zu Hause durchgebrannt.«
    »Hat sie dir nicht gesagt, warum?«
    »Sie hat mir nur gesagt, sie hasse alle Heuchelei und habe während ihrer ganzen Kindheit immer das Gefühl gehabt, ersticken zu müssen.«
    »Sag jetzt mal ganz offen, war sie nett zu dir?«
    »Was verstehen Sie darunter?«
    »Hat sie dich als Freund behandelt? Hat sie es ganz ehrlich mit dir gemeint?«
    »Manchmal, glaube ich, ja. Das ist schwer zu sagen.«
    »Hast du ihr sofort den Hof gemacht?«
    »Ich habe ihr gestanden, daß ich sie liebte.«
    »Gleich am ersten Abend?«
    »Nein, am ersten Abend war ich ja mit meinem Freund dort und habe da kaum

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