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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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und hörte kaum auf das, was ihre Begleiter erzählten. Da ich ihre Geschichte kannte, habe ich zu Arlette – es war auch hier, wo sie sich gerade neu schminkte – gesagt: ›Die ist ganz anders als alle anderen, weil sie so viel Schweres kurz nacheinander hat durchmachen müssen.‹ Aber darauf hat sie mir nur verächtlich geantwortet: ›Ich bin mißtrauisch gegen Leute, die Unglück gehabt haben, besonders Frauen. Sie benutzen das nur, um andere zugrunde zu richten.‹ Das ist nur eine Vermutung von mir, doch ich bin fest davon überzeugt, daß sie damit auf ihre Mutter anspielte. Sie hat nie von ihrem Vater gesprochen. Wenn man nur das Wort Vater sagte, blickte sie weg. Das ist alles, was ich weiß. Ich habe immer angenommen, sie sei ein Mädchen aus guter Familie, das sich gegen das Elternhaus aufgelehnt hat. Das sind immer die schlimmsten, wenn sie in unser Milieu kommen, und das erklärt auch manches, was man nur schwer versteht.«
    »Meinen Sie damit ihre Sucht, die Männer zu erregen?«
    »Ja, und die ganze Art ihres Benehmens. Ich bin nicht von heute. Ich war früher auch mal so eine und sogar noch schlimmer, Sie wissen es sicher, aber doch nicht so wie sie. Darum ist sie auch unersetzlich. Die das richtig berufsmäßig tun, gehen nie so ‘ran. Sehen Sie sich doch die anderen an. Selbst wenn sie ganz hemmungslos sind, fühlt man, daß ihr Herz nicht dabei ist.«
    Hin und wieder setzte sich Fred einen Augenblick an Maigrets Tisch, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Jedesmal brachte Désiré dann zwei Kognak-Soda, aber dem Kommissar war es nicht verborgen geblieben, daß der für den Wirt bestimmte viel heller war. Er trank und dachte an Arlette und Lapointe, der am Abend vorher mit ihr in der gleichen Loge gesessen hatte.
    Inspektor Lognon befaßte sich mit der Gräfin, für die Maigret sich kaum interessierte. Zu viele dieser Art waren ihm begegnet, Frauen, mit denen es bergab ging, die fast immer allein lebten und fast immer eine glänzende Vergangenheit hinter sich hatten und nun dem Morphium verfallen waren und immer tiefer sanken. Nahezu zweihundert ihresgleichen gab es wohl auf dem Montmartre und, auf etwas höherem Niveau, in den eleganten Wohnungen von Passy und Auteuil auch immerhin noch einige Dutzend. Arlette war es, die ihn interessierte, weil er sie weder richtig einzuordnen noch sie überhaupt ganz zu begreifen vermochte. »War sie sehr leidenschaftlich?« fragte er Fred. Der Wirt zuckte nur die Schultern.
    »Wissen Sie, ich mache mir nicht viel Gedanken über die Mädchen. Meine Frau hat Ihnen das schon gesagt, und das stimmt. Ich gehe zu ihnen in die Küche oder nach oben, wenn sie sich umziehen. Ich frage sie gar nicht, was sie sich dabei denken, und das hat auch nie irgendwelche Folgen.«
    »Haben Sie sie nie einmal draußen getroffen?«
    »Auf der Strafe?«
    »Nein, ich meine, ob Sie sich niemals mit ihr verabredet haben?«
    Maigret hatte den Eindruck, daß er mit der Antwort zögerte, und er sah auch, wie er nach hinten blickte, wo seine Frau saß.
    »Nein«, sagte er schließlich.
    Er log. Das war das erste, was Maigret sicher wußte, als er, übrigens verspätet – er hatte den Rapport versäumt – zum Quai des Orfevres kam. Im Büro der Inspektoren ging es lebhaft zu. Er rief zuerst den Chef an, um sich bei ihm zu entschuldigen und ihm zu sagen, daß er zu ihm kommen würde, sobald ihm seine Männer berichtet hätten.
    Als er läutete, erschienen Janvier und der junge Lapointe gleichzeitig in der Tür.
    »Erst Janvier«, sagte er. »Ich rufe dich gleich, Lapointe.«
    Janvier wirkte ebenso übermüdet wie er selber, und bestimmt war er bis spät in die Nacht auf den Beinen gewesen.
    »Ich hatte eigentlich gedacht, du würdest mal im Picratt vorbeikommen, um nach mir zu sehen.«
    »Das hatte ich auch vor. Aber je länger ich unterwegs war, um so mehr Arbeit hatte ich. So bin ich schließlich gar nicht zum Schlafen gekommen.«
    »Hast du Oskar gefunden?«
    Janvier zog ein mit Notizen vollbeschriebenes Blatt Papier aus der Tasche.
    »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Ich war in fast allen Hotels zwischen der Rue Châteaudun und den Boulevards von Montmartre. In jedem habe ich das Foto des Mädchens gezeigt. Einige Wirte taten so, als ob sie sie nicht erkannten oder gaben ausweichende Antworten.«
    »Endergebnis?«
    »In mindestens zehn von den Hotels hat man sie gekannt.«
    »Hast du versucht, in Erfahrung zu bringen, ob sie oft mit demselben Mann dorthin kam?«
    »Gerade das

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