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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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wollen und sich auf den Rand des Felsens gesetzt.
    Das war nämlich sein Lieblingsplatz, denn von dort sieht man die Engelsbucht, die Lichter von Nizza und einen großen Teil der Küste.
    Der Körper des Toten zeigte nichts, was auf ein Verbrechen hätte schließen lassen, und die angeordnete Sezierung der Leiche war auch ergebnislos.«
    »Was ist aus ihr geworden?«
    »Sie mußte sich mit einem jungen Neffen herumschlagen, der plötzlich aus Österreich angereist kam und ihr einen Prozeß anhängte, den sie erst nach zwei Jahren gewann. Sie blieb weiter in der Oase in Nizza wohnen. Dort empfing sie immer viel Besuch, es ging stets im Hause hoch her, und man trank bis in den Morgen. Oft schliefen die Gäste dort, und kaum daß sie wieder erwacht waren, wurde weitergefeiert. Nach den Angaben der Polizei hatte sie nacheinander mit verschiedenen jungen Männern von zweifelhafter Herkunft Verhältnisse, und sie haben ihr einen großen Teil ihres Geldes abgeknöpft.
    Ich habe gefragt, ob sie damals Morphinistin geworden ist. Aber man hat mir nichts Genaues darüber sagen können. Sie wollen das noch zu ermitteln versuchen, doch es ist eben schon lange her. Die einzige Meldung, die sie bisher gefunden haben, ist sehr unvollständig, und sie wissen noch nicht, ob sie die Akte noch aufstöbern werden.
    Fest steht nur, daß sie viel getrunken und gespielt hat. Wenn sie in der entsprechenden Stimmung war, lud sie jedermann zu sich ein. Aber so etwas fällt dort, wo es solche Verrückten in großer Menge zu geben scheint, gar nicht weiter auf.
    Bestimmt hat sie auch beim Roulette viel Geld verloren. Stundenlang hat sie beharrlich auf eine Zahl gesetzt.
    Vier Jahre nach dem Tode ihres Mannes hat sie die Oase verkauft, und da damals gerade die große Finanzkrise war, bekam sie nicht viel. Ich glaube, heute ist es ein Sanatorium oder ein Erholungshaus, jedenfalls kein Privathaus mehr. Seitdem weiß Nizza auch nichts mehr von ihr. Nach dem Verkauf des Besitzes ist die Gräfin von dort verzogen, und man hat sie an der Côte nie wieder gesehen.«
    »Du solltest mal zum Spielerdezernat gehen«, sagte Maigret. »Und die Leute vom Rauschgiftdezernat können dir vielleicht auch einen Fingerzeig geben.«
    »Soll ich mich nicht mit Arlette befassen?«
    »Im Augenblick nicht. Ich möchte aber, daß du auch noch mal Nizza anrufst. Vielleicht können sie dir die Liste der Leute geben, die zu der Zeit, als der Graf starb, in der Oase gewohnt haben. Vergiß nicht das Personal. Obwohl das schon fünfzehn Jahre her ist, wird man vielleicht doch noch diesen oder jenen ausfindig machen können.«
    Noch immer fielen dicke Flocken vom Himmel, aber sie waren so leicht und flockig, daß sie sofort schmolzen, sobald sie auf eine Mauer oder auf den Boden fielen.
    »Sonst nichts, Chef?«
    »Vorerst nicht. Laß mir die Akte hier.«
    »Soll ich nicht meinen Bericht schreiben?«
    »Erst wenn die Ermittlungen beendet sind. So, und nun mach dich an die Arbeit.«
    Maigret erhob sich. Er war ganz schläfrig von der Hitze im Büro, hatte noch immer einen schlechten Geschmack im Munde und einen Brummschädel. Er erinnerte sich, daß eine Dame auf ihn im Vorzimmer wartete, und um sich etwas Bewegung zu machen, entschloß er sich, sie selber hereinzuholen. Hätte er die Zeit gehabt, wäre er auf einen Sprung in die Brasserie Dauphine gegangen, um dort ein Bier zu trinken, das ihn wieder frisch und munter gemacht hätte. Im Warteraum mit den Glaswänden und den grünen Sesseln warteten mehrere Menschen. In einer Ecke stand ein Regenschirm, um den herum sich eine Pfütze gebildet hatte. Maigret blickte sich fragend um und bemerkte eine schwarzgekleidete, ältere Dame, die kerzengerade auf ihrem Stuhl saß und sich bei seinem Eintreten sofort erhob. Sicherlich hatte sie sein Bild in den Zeitungen gesehen.
    Lognon, der sich ebenfalls dort befand, blieb wie angewurzelt sitzen und blickte den Kommissar nur seufzend an. Das war nun einmal seine Art. Er hatte geradezu das Verlangen, sich unglücklich zu fühlen, mit seinem Mißgeschick zu kokettieren und sich immer als Opfer eines bösen Schicksals zu betrachten. Er hatte die ganze Nacht gearbeitet und war, während Hunderttausende von Parisern friedlich schliefen, durch die nassen Straßen gestapft. Da die Kriminalpolizei sich jetzt des Falls angenommen hatte, war er eigentlich überflüssig. Dennoch hatte er, obwohl er wußte, daß andere das Lob dafür einheimsen würden, sein möglichstes getan und dabei etwas

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