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Maigrets Nacht an der Kreuzung

Maigrets Nacht an der Kreuzung

Titel: Maigrets Nacht an der Kreuzung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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mit seinen Gästen anzustoßen. Er spendierte sogar eine Runde. Dann, ich glaube gegen drei Uhr, kam der Kellner und richtete aus, daß Monsieur Oscar am Telefon verlangt würde.
    Als er aus der Telefonzelle kam, lachte er nicht mehr. Er warf mir einen bösen Blick zu, weil ich der einzige Gast war, den sie nicht kannten. Er sprach leise mit den and e ren. Sie waren ganz schön verwirrt und machten sooo la n ge Gesichter! Die Kleine – ich meine Monsieur Oscars Frau – hatte tiefe Ringe unter den Augen und trank ein Glas nach dem anderen, um wieder munter zu werden.
    Nur der eine, den ich nicht kenne – dem Aussehen nach ist er Italiener oder Spanier –, ist dann dem Ehepaar gefolgt.
    Während sie sich noch mit vielen Worten verabschiedeten, war ich schon auf dem Boulevard und schaute mich nach einem Taxi um, das nicht zu klapprig aussah. Ich rief zwei Polizisten zu mir, die an der Porte Saint-Denis Dienst taten.
    Sie haben ihren Wagen ja gesehen. Ab dem Boulevard Saint-Michel fuhren sie mit hundert Sachen. Mindestens zehnmal wurde hinter ihnen hergepfiffen, aber sie schauten nicht einmal zurück. Wir hatten Mühe, ihnen zu folgen. Der Taxifahrer, ein Russe, behauptete, daß wir ihm noch seinen Motor ruinieren würden … Waren sie es, die geschossen haben?«
    »Ja!«
    Lucas hatte die Schießerei gehört und kam vom Haus der Drei Witwen herangeeilt.
    »Was ist passiert?«
    »Wie geht’s dem Verletzten?«
    »Er ist schwächer. Trotzdem glaube ich, daß er bis zum Morgen durchhält. Der Chirurg muß ja bald eintreffen … Aber was war hier los?«
    Lucas betrachtete das Wellblechtor, auf dem sich die Einschüsse abzeichneten, und das Feldbett, neben dem der Mechaniker, immer noch mit seinem Elektrokabel gefesselt, auf dem Boden lag.
    »Eine organisierte Bande, was, Chef?«
    »Und wie!«
    Maigret war besorgter als sonst. Man merkte es hauptsächlich daran, daß er die Schultern etwas hängen ließ. Und sein Mund, in dem der Pfeifenstiel steckte, war seltsam verkniffen.
    »So, Lucas, du wirfst jetzt das Netz aus. Ruf an in Arpajon, Etampes, Chartres, Orléans, Le Mans, Rambouillet. Sieh am besten auf der Karte nach! Sämtliche Gendarmerien in Einsatz! Die Ausfallstraßen der Städte abriegeln! Die kriegen wir schon … Was macht Else Andersen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe sie in ihrem Zimmer zurückgelassen. Sie ist sehr niedergeschlagen.«
    »Ach wirklich?« entgegnete Maigret mit unerwarteter Ironie.
    Sie standen immer noch auf der Straße.
    »Von wo aus soll ich telefonieren?«
    »Im Flur von Monsieur Oscars Haus hängt ein Telefon. Fang mit Orléans an, denn über Etampes dürften sie schon hinaus sein.«
    Auf einem inmitten der Felder gelegenen einsamen Gehöft ging ein Licht an. Die Bauersleute standen auf. Man sah einen Laternenschein an einer Mauer entlangwandern und wieder verschwinden, dann erhellten sich die Fenster des Stalles.
    »Fünf Uhr früh. Die Kühe werden gemolken.«
    Lucas war zum Haus gegangen, wo er die Tür mit Hilfe einer Zange aufbrach, die er in der Werkstatt gefunden hatte.
    Grandjean folgte Maigret, ohne genau zu wissen, was eigentlich vorging.
    »Die jüngsten Ereignisse sind sonnenklar«, brummte der Kommissar. »Bleibt nur noch der Anfang der G e schichte zu klären …
    Sieh, dort oben ist ein Mann, der mich zu sich gerufen hat, nur damit ich mich davon überzeuge, daß er nicht gehen kann. Seit Stunden sitzt er am selben Platz und rührt sich nicht vom Fleck. Kein einziges Mal hat er sich bewegt!
    Es brennt doch Licht hinter den Fenstern, oder nicht? Und ich habe vorhin nach dem Signal gesucht! … Du kannst das nicht verstehen … Die Autos, die vorübe r fuhren, ohne anzuhalten …
    Und zu dem Zeitpunkt brannte dort kein Licht !«
    Maigret brach in Gelächter aus, als ob er etwas unendlich Komisches entdeckt hätte.
    Und plötzlich beobachtete sein Begleiter, wie er den Revolver aus der Tasche zog und auf das Fenster der M i chonnets zielte, hinter dem man den Schatten eines auf die Sessellehne gestützten Kopfes sah.
    Der Schuß knallte hell wie ein Peitschenhieb. Die Fensterscheibe zerbarst, und die Splitter flogen in den Garten.
    Aber im Zimmer bewegte sich nichts. Der Schatten hinter der hellen Gardine behielt absolut dieselbe Form bei.
    »Was haben Sie getan?«
    »Schlag die Tür ein! Oder nein, klingle! Es würde mich wundern, wenn niemand an die Tür käme!«
    Doch niemand kam. Kein einziger Laut drang heraus.
    »Schlag sie ein!«
    Grandjean war stämmig gebaut.

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