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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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wie die Wanten leise klirrten, hörte in der Ferne Motorboote übers Wasser brausen und ich wusste, dass dies meine Heimat war. Ich fühlte, dass hier meine Seele zum Leben erweckt worden war, dass sie sich hier vollgesogen hatte mit all diesen Tönen und Gerüchen, die es anderswo so nicht gab. Ganz sanft schlief ich ein, träumte nichts, weil ich selbst diesen Traum erlebte, der jetzt in Erfüllung gehen sollte.
     
    Am nächsten Morgen weckte mich ein klatschendes Geräusch. Dann waren da Quietschlaute, die ich mir nicht erklären konnte. Schnell stieg ich an Deck und traute meinen Augen kaum. Eine Gruppe Delfine tanzte durch die leichten Wellen. Sie schossen aus dem Wasser empor, schienen kurz Sonne zu tanken, um dann mit einem klatschenden Geräusch wieder im Wasser zu versinken.
    Marcel schlief noch tief. Ich wagte es auch nicht, ihn zu wecken, denn er hätte über die Delfine vermutlich nur gelacht. Doch für mich waren es die Brüder meiner Jugend. Ich wusste, dass ich dieses Klatschen kannte, und ich freute mich sehr, dass ich nun zu den Delfinen zurückgekehrt war. Jetzt im Tageslicht sah ich die Palmen am Ufer von Port-Cros, die sich, struppig und vom Wind zersaust, wie ein grünes Band um die Insel zogen. Darüber stieg der Mont Vinaigre in die Höhe, bewachsen von wilden Ölbäumen und Macchiagestrüpp.
    Da Marcel keine Anstalten machte, endlich aufzuwachen, zog ich meine Badehose an und stieg ins Wasser. Glasklar war es. Bis auf den Grund konnte man sehen. Die Felsen am Boden schimmerten ockergelb, darüber wuchsen Seegräser und Pflanzen, zwischen denen Fische wie schwerelos schwebten. Als ich wieder an Deck kam, war Marcel endlich aufgewacht.
    »Kein Wind heute«, sagte er, setzte sich an den Tisch vom gestrigen Abend und zündete sich eine Gauloise an.
    Es schien ihn nicht zu kümmern, ob wir vorwärts kamen. Er rauchte seine Zigarette gemütlich zu Ende, stieg dann ebenfalls ins Wasser, schwamm eine Runde und setzte sich wieder an Deck.
    »Vielleicht kommt mittags Wind«, sagte er, blies Ringe aus und blickte übers Meer. Er hatte sich bereits wieder eine neue Zigarette angesteckt.
    Mich machte das ganz kribbelig.
    »Können wir denn nicht mit dem Motor weiter?«, fragte ich.
    Er sah mich nur verständnislos an.
    »Wir sind auf einem Segelboot. Wenn du Motorboot fahren wolltest, hättest du ein anderes Boot chartern müssen.«
    Selbst am Mittag kam kein Wind und auch abends hielt die Flaute. So lagen wir den ganzen Tag fest und ich begann bereits zu bereuen, dass ich mich überhaupt auf diesen Handel mit dem alten Seebären eingelassen hatte.
    »Es wird schon Wind kommen«, sagte er immer wieder, aber es schien ihm völlig gleichgültig zu sein, wann.
    Ich verstand jetzt, warum wir 30 Päckchen Gauloises an Bord hatten, und es war mir auch klar, weshalb er sechs Flaschen Cognac benötigte.
     
    Endlich, am Nachmittag des zweiten Tages, zogen Wolken über der Küste auf.
    »Die bringen sicher Wind«, brummte er und begann die Segel zu überprüfen.
    Und tatsächlich: Es dauerte keine halbe Stunde, da begann sich das Wasser in der Bucht zu kräuseln und man spürte den Luftzug an Deck.
    »Jetzt geht’s gleich los«, verkündete er. »Wir müssen Tisch und Stühle nach unten bringen. Und sieh nach, ob alles richtig verstaut ist.«
    Er schien mit stärkerem Wind zu rechnen und er sollte recht behalten. Kaum waren wir ausgelaufen, blies der Wind kräftig vom Land her und wir ritten mit der Jacht förmlich auf den Wellen.
    »Da, leg den Gurt an und häng ihn an der Reling ein«, sagte er und machte sich selbst am Steuerstand fest.
    Die Jacht zischte über die Wellen. Das Meer war mit weißen Schaumkronen bedeckt und Land war in keiner Richtung mehr zu entdecken.
    »Siehst du, das ist Wind«, lachte Marcel. »Du wolltest doch Wind, jetzt hast du ihn. Es ist der Mistral, der bläst drei Tage.«
    Ich erwiderte nichts, sondern beobachtete bloß, wie Marcel geschickt mit dem Boot umging. Die Wolken lösten sich über dem Meer auf, aber der Wind blieb und trieb uns unaufhörlich weiter. Selbst als es dunkel wurde, gab es kein Halten mehr.
    »Wir können bei diesem Wind nicht vor Anker gehen«, erklärte Marcel. »Wir werden einfach durch die schwarze Nacht reiten.«
    Ihm schien das gar nichts auszumachen, mir hingegen war es schon leicht schlecht.

26
    Der Wind trieb uns durch die Nacht. Irgendwann kreuzten mehrere Ozeanriesen unsere Route, wahrscheinlich Handelsschiffe, die nach Toulon fuhren. Marcel nahm das

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