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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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Pierrefitte sonst der Letzte war, den man in der Kirche hätte sehen können. Wenn es nicht um mein Leben gegangen wäre, hätte ich das Ganze sehr lustig gefunden. Hier war offensichtlich nichts zu machen. Ich beschloss deshalb, meinen alten Lehrer zu besuchen, der mich mit Mathematik und Latein gequält hatte. Er wohnte ganz in der Nähe des Hafens auf einer kleinen Anhöhe, mit Blick zum Schloss und über das Meer. Das Gartentor war nur angelehnt und so ging ich um das Haus herum und fand Monsieur Latour im Garten sitzend und seine Pfeife rauchend.
    »Hallo, Monsieur Latour«, sprach ich ihn von hinten an.
    Er drehte sich langsam um, setzte seine Brille mit den dicken Gläsern auf die Nase und fragte: »Wer ist da?«
    Gut sehen konnte er mit seiner Brille offenbar nicht, denn er schien mich nicht zu erkennen.
    »Besuch auf der Insel«, sagte ich. »Johann König von Aschaffenburg.«
    »Das ist gut«, sagte er. »Seit Monaten war kein Besuch mehr da.«
    »Warum denn nicht?«, fragte ich.
    »Ach, seit der alte Graf im Rollstuhl sitzt, ist nichts mehr, wie es vorher war. Die ganze Halbinsel ist verhext.«
    »Madeleine«, rief er dann ins Haus, »ein Gast, Madeleine! Bring bitte Wasser und Wein. Er wird Durst haben.«
    Wenig später ging die Tür zum Garten auf und Madeleine, die Haushälterin, erschien mit einem Tablett mit Gläsern, Wein und Wasser. Als sie mich sah, erstarrte sie, das Tablett begann zu zittern. Hätte ich es ihr nicht aus der Hand genommen und schnell auf den Gartentisch gestellt, wäre es sicher klirrend zu Boden gegangen.
    »Sie sind doch …«, stammelte sie. »Das ist doch nicht möglich, Sie sind doch …«
    »Das ist Herr König aus … ääh, aus …«, stotterte Monsieur Latour.
    »… aus Aschaffenburg«, ergänzte ich und Monsieur Latour lächelte dankbar.
    Die Haushälterin schien jetzt zwar an ihrem Verstand zu zweifeln, aber wenigstens rannte sie nicht davon, sondern schenkte Wein und Wasser ein und ging dann wieder ins Haus zurück.
    »Wie sind Sie hergekommen?«, fragte mich mein alter Lehrer.
    »Mit einer Segeljacht.«
    »Aber sie lassen doch niemanden in den Hafen, seit der neue Hafenwärter da ist«, wunderte sich Monsieur Latour.
    »Wir haben etwas abseits angelegt«, erklärte ich.
    »Das ist gut«, sagte Latour, »endlich wieder Besuch auf der Insel.«
    Er zog genüsslich an seiner Pfeife, blies den Rauch in die Luft und sah nach oben zu den Bergen und zum Schloss.
    »Es hat sich viel verändert, seit der alte Graf gestürzt und der junge Graf verunglückt ist«, sagte er.
    »Es gibt einen Grafen hier?«, fragte ich und stellte mich völlig dumm.
    »Ja, die Familie wohnt auf dem Schloss und ist seit Jahrhunderten auf der Insel«, erklärte er. »Es sind die Grafen der Île du vin. Sie leben vom Wein, haben außerdem noch Güter im Rhônetal.«
    »Interessant.«
    Er hörte sich gern reden, wie das bei alten Lehrern oft der Fall ist, und erzählte mir, dass die Gräfin viel jünger als der alte Graf sei. Der Graf sei ein rechter Lebemann gewesen, dann sei ihm vor Gram seine Frau gestorben und er habe die jetzige Gräfin geheiratet, die seine Tochter hätte sein können.
    »Dafür muss er nun bezahlen«, sagte Monsieur Latour leise. »Im Dorf munkelt man, sie habe ihn selbst die Schlosstreppe hinabgestürzt, seit dieser Dolcapone sich im Schloss eingenistet hat. Jetzt sitzt der alte Graf im Rollstuhl und die Gräfin hört nur auf Dolcapone. Soll ein Mafiaboss sein, in den sie sich unsterblich verliebt hat.«
    Ich war sprachlos und entsetzt zugleich. Mein Vater im Rollstuhl, gequält von meiner Stiefmutter, der ich alles zutraute. Warum sie ihn nicht gleich um die Ecke gebracht hatte?
    »Der alte Graf soll ein Testament hinterlegt haben, dass im Fall seines Todes alles an die Kirche geht«, fuhr Latour fort, als ob er meine Gedanken gelesen hätte. »Die Gräfin braucht ihn also, solange sie auf dem Schloss leben will.«
    »Sind denn keine Erben da?«, fragte ich.
    »Nein, wohl nicht. Wie ich schon sagte, der junge Graf ist verunglückt und war der einzige Sohn. Sein Tod soll dem alten Grafen das Herz gebrochen haben.«
    Monsieur Latour hielt auf einmal inne, zog wieder genüsslich an seiner Pfeife und blickte hinauf zum Schloss.
    »Haben es auch nicht immer leicht, die Grafen«, sagte er. »Wenn ich daran denke, wie ich den jungen Grafen unterrichtet habe. War ein Luftikus, aber intelligent. War mehr in allen Ecken der Insel unterwegs als mit den Büchern zu finden. Aber er

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