Mainfall
heute Nachmittag habe ich frei«, begrüßte sie mich und drückte mir einen scheuen Kuss auf die Wange.
»Wo arbeitest du?«, fragte ich und sie erzählte, dass sie Moderedakteurin sei. Man sah ihr den Beruf an, denn sie war perfekt geschminkt und flott gekleidet, mit einem geschlitzten Rock und kuscheligem Pulli.
»Komm, lass uns essen gehen«, sagte sie. »Ich habe heute keine Lust zu kochen.«
Wir nahmen die U-Bahn zum Jungfernstieg und bummelten zunächst die Promenade entlang bis zum Alsterpavillon. Sie hatte ihren Arm um meine Hüfte gelegt und ging neben mir, als ob es das Natürlichste der Welt sei. Ich legte meinen Arm um ihre Schulter und jeder, der uns sah, dachte bestimmt: Ein schönes Liebespaar.
Wir gingen durch die Straßen, die vom Jungfernstieg in Richtung Altstadt abzweigten, durchstreiften mehrere Passagen und landeten schließlich am Rathausplatz.
»Jetzt hab ich aber Hunger«, sagte Natalie. »Komm, ich kenne ein nettes Lokal.« Sie zog mich durch die Alsterarkaden zu einem Restaurant, wo man sogar draußen sitzen konnte.
»Hier ist es wunderschön«, musste ich zugeben.
»Ja, ich bin gern hier. Es erinnert mich ein bisschen an Venedig. Das Wasser, die Brücke, der Bogengang, die alten Laternen, die Arkaden – ich mag das alles sehr. Und mit dir ist es natürlich noch schöner.«
Sie legte ihre kleine, feingliedrige Hand auf meinen Arm und schaute mich an. Ich sah das Blau in ihren Augen, sah diese Sehnsucht in ihrem Blick und wusste, dass ich sie jetzt küssen müsste, aber ich konnte nicht. Irgendetwas sperrte sich in mir.
»Wir haben uns in Venedig getroffen«, erzählte sie mir. »Vor drei Jahren, in einem Straßencafé auf dem Markusplatz. Ich war zu Modeaufnahmen dort und du hattest geschäftlich in der Stadt zu tun. Aber du hast mir nie Näheres erzählt, warst sehr verschlossen, was das anging.«
»Hat dich das nicht gestört?«
»Nein. Es war Liebe auf den ersten Blick. Du hast bei mir eingeschlagen wie ein Blitz.« Sie lächelte mich schmachtend an und fuhr fort. »Ich wollte dich nicht durch dumme Fragen verlieren. Glaubte, dass du verheiratet seiest.«
»Und ich habe dir nie etwas über mein Leben erzählt?«
»Nein, nie. Auch nicht, als du mich später in Hamburg besucht hast. ›Genieße den Tag‹, sagtest du nur und das haben wir getan.«
Ihre Augen waren feucht geworden und mir steckte ein dicker Kloß im Hals. Konnte man eine schönere Liebeserklärung bekommen?
Wir bestellten Lasagne, um uns noch mehr an Venedig zu erinnern. Sie erzählte mir begeistert von unserer gemeinsamen Gondelfahrt, dass ich in einem vornehmen Hotel gewohnt hatte, wie sie mich heimlich besuchte, wie wir uns bei offenem Fenster geliebt hatten und wie man dabei das leise Schlagen des Wassers gegen die Wand des Hotels gehört hatte, das direkt an einem der Kanäle lag.
»Es wäre mein größter Traum, mit dir wieder in Venedig zu sein«, sagte sie schließlich und war nicht mehr zu halten. Sie ergriff die Initiative, warf sich an mich, drückte ihre Lippen auf die meinen, küsste mich leidenschaftlich, sodass ich anschließend nach Luft schnappte.
»So«, lachte sie, »vielleicht erinnerst du dich jetzt?«
Ich blickte verstohlen zu den Nachbartischen, doch niemand starrte uns an. Alle waren in ihr Essen vertieft, nur eine ältere, schicke Dame im weiß-blauen Kostüm lächelte mich an. Sie lächelte wohlwollend, fast liebevoll und schien zu sagen: ›Nun freu dich doch, du Trauerkloß, nimm sie dir, wenn sie dich schon so liebt.‹
Ich lächelte zurück und nickte ihr zu.
»Kennst du die?«, fragte Natalie.
»Nein«, sagte ich, »aber sie scheint sehr nett zu sein. So eine richtig nette Hamburgerin.«
Wir durchstreiften den ganzen Nachmittag die Stadt, schlenderten abends über die Reeperbahn, obwohl mir das mit Natalie im Arm eher seltsam vorkam und wir auch einige Male angepöbelt wurden. Es war, als ob Natalie sich beweisen wollte, dass sie sogar dort mit mir gehen konnte, dass ich ihr ganz gehörte.
Schließlich waren wir zurück in ihrer kleinen Wohnung. Ich ahnte, was jetzt kommen würde und hatte Angst. Sie hatte mir begeistert erzählt, dass wir uns in Venedig geliebt hatten und trotzdem überfiel mich eine gewisse Unruhe, sobald wir allein in ihrer kleinen Wohnung waren.
Ich kuschelte auf der Couch mit ihr, lag kurz darauf mit ihr im Bett und bemerkte, dass sie mich wollte, aber ich fühlte mich nicht bereit dazu und konnte sie nur wiederholt darum bitten, mir noch
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