Mainfall
einer Decke steckten und mir war auch klar, dass sich Rotfux bei Isabell einschmeicheln wollte.
Wenig später erschienen wieder die beiden Beamten, die mich herbegleitet hatten. Der Jüngere legte mir Handschellen an. Dann brachten sie mich zur Justizvollzugsanstalt, wo ich in eine Zelle kam, in der nicht mehr als ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl und hinter einer Mauernische ein Waschbecken und eine Toilette zu sehen waren.
»Sie bekommen gleich noch Bettwäsche und eine Zahnbürste«, sagte der Vollzugsbeamte, »und natürlich eine Kleinigkeit zu essen.«
Hinter ihm fiel die schwere Stahltür ins Schloss. Seine Schritte entfernten sich langsam, danach war alles ganz still. Ein kleines Fenster unterhalb der Zimmerdecke führte zu einem Lichtschacht, durch den die Dämmerung des nahenden Abends hereinfiel. Die kräftigen Gitterstäbe vor dem Fenster machten mir deutlich, dass ich wirklich eingesperrt war. Ich hatte das Gefühl, der Staatsmacht völlig ausgeliefert zu sein. Am liebsten hätte ich geschrien oder mit den Fäusten gegen die Stahltür getrommelt, aber ich ließ es bleiben, denn es war mir klar, wie sinnlos das gewesen wäre.
Nach einiger Zeit kam der ältere Vollzugsbeamte zurück. Er gab mir Bettwäsche und ein Kosmetikset mit Zahnbürste, Seife und Nassrasierer.
»Ihre Vesper bringe ich gleich«, sagte er und war schon wieder verschwunden.
Fast hatte ich den Eindruck, dass es ihm peinlich war, dass Rotfux mich hier eingesperrt hatte. Jedenfalls war er auffallend höflich, vielleicht weil er wusste, dass ich der König von Aschaffenburg war, der den Kindern Geschichten erzählte.
Nachdem er mir wenige Minuten später ein Tablett mit Wurst, Käse und Brot und eine Flasche Mineralwasser gebracht hatte, war ich ganz mir selbst überlassen. Mehr und mehr wurde mir deutlich, wie verlassen ich war. Niemand kannte mich. Kein Mensch außer Isabell würde nach mir fragen – nur die Kinder, die meine Geschichten hören wollten, die waren meine letzte Hoffnung.
Am Sonntag müsste ich Audienz im Schloss halten, sonst stünde am Montag in der Zeitung: ›König von Aschaffenburg in Haft!‹ Das konnte wohl auch Kommissar Rotfux nicht wollen, deshalb musste er mich in spätestens drei Tagen freilassen.
Mit solchen Gedanken kam mein Appetit zurück, der zunächst völlig verschwunden gewesen war. Ich aß meine Vesper und legte mich auf das Bettgestell. Draußen war es inzwischen fast dunkel geworden. Etwas Licht, das durch das kleine Fenster fiel, erhellte meine Zelle.
Am nächsten Morgen wachte ich durch das Geräusch von Schritten auf. Ich lag immer noch angezogen auf der Liege und schreckte hoch, als sich die Tür öffnete.
»Na, gut geschlafen?«, fragte Kommissar Rotfux.
»Es geht so«, antwortete ich. Er brauchte ja nicht gleich wissen, dass ich selten so gut geschlafen hatte wie in dieser Zelle.
»Ich habe erfreuliche Nachrichten für Sie, Herr König«, freute er sich. »Frau Brenner hat sich sehr für Sie eingesetzt. Sie hat mich überredet, Sie wieder freizulassen.«
Hinter Rotfux erschien jetzt Isabell in der Tür. Ihre dunklen Locken fielen ihr leicht über die Schulter, ein strahlendes Lachen schlug mir entgegen, das zu sagen schien: ›Da siehst du es, mir kannst du nicht entkommen.‹
Ich bemerkte, wie der Kommissar Isabell auffallend musterte. Ob sie Rotfux wohl mit mehr überzeugt hatte als nur mit Worten? Wahrscheinlich ein lächerlicher Gedanke, aber seit meiner Verhaftung traute ich dem Kommissar alles zu.
»Dann bin ich also wieder frei?«, wollte ich wissen.
»Ganz noch nicht. Sie müssen mir noch unterschreiben, dass Sie Aschaffenburg nicht ohne meine ausdrückliche Erlaubnis verlassen.«
Konnte er das wirklich von mir verlangen? Doch nach einigem Nachdenken unterschrieb ich das Papier, welches Rotfux auf den Tisch vor mich gelegt hatte. Somit hatte es Isabell geschafft, dass ich von nun an unter ihrer Beobachtung stand und mich sogar bei Rotfux abmelden musste, wenn ich Aschaffenburg verlassen wollte.
Auf der Rückfahrt zu Brenners Haus fragte ich Isabell, ob sie etwas über die Augenklappe des Kommissars wüsste.
»Er ist verletzt worden«, sagte Isabell. »Es muss bei einer Fahndung im Frankfurter Rotlichtmilieu passiert sein. Genaueres hat er mir nicht erzählt. Er gibt sich sehr zurückhaltend in dieser Angelegenheit.«
Anschließend wollte Isabell genau wissen, wie es mir in Hamburg ergangen war, da wir bislang keine Gelegenheit gehabt hatten, darüber zu
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