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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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fühlte mich einen Moment lang entführt in eine andere Welt, in die Traumwelt des Bayerischen Königs Ludwig I., der dieses Aschaffenburger Kleinod hervorgebracht hatte.
    ›Ich werde ewig auf dich warten‹, klangen mir Melanies Worte im Ohr. Selbst als ich sie schon längst zum Bahnhof gebracht hatte, geisterte dieser Satz durch meinen Kopf und ließ mir irgendwie keine Ruhe.

12
    Müde kehrte ich mit Oskar zu Brenners Haus zurück. Der kleine Kerl freute sich, wieder zu Hause zu sein. Er sauste wie ein Wirbelwind durch die ganze Wohnung, begrüßte Isabell und die Kinder, marschierte in die Küche, trank aus seinem Napf und legte sich anschließend zufrieden auf seinen Platz in der Diele.
    Nur sonst schien trübe Stimmung zu herrschen.
    »Ulrich geht es sehr schlecht«, sagte Isabell leise. »Er hat schon den ganzen Tag nach dir gefragt.«
    Es klang ein wenig vorwurfsvoll, als sie das sagte und ich bekam ein ganz schlechtes Gewissen. Paul und Corinna waren auffallend still. So kannte ich sie gar nicht. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    »Es tut mir leid«, stammelte ich nur. »Ich kann ihn sofort besuchen, wenn du willst.«
    »Vielleicht wäre das gut«, meinte Isabell. »Ich komme zwar gerade aus der Klinik zurück, aber vielleicht fahren wir besser noch mal, bevor es zu spät ist.« Sie sagte das so dramatisch, dass ich richtig Angst bekam.
    Also wusch ich mir Hände und Gesicht, zog ein frisches Hemd an und war in wenigen Minuten mit Isabell auf dem Weg in die Klinik.
    »Steht es wirklich so schlimm?«, fragte ich unterwegs, da ich in Gegenwart der Kinder diese Frage nicht hatte stellen wollen.
    Isabell schluchzte. Das genügte als Antwort und ich fragte nicht mehr weiter. Wir gingen still durch die abendlichen Gänge der Klinik, fuhren mit dem Aufzug zur Station, ich brachte kein Wort mehr hervor, denn ich hatte Angst, etwas Falsches zu sagen. Vor der Tür zögerten wir einen Augenblick, Isabell klopfte und drückte die Klinke herunter. Sie schob mich förmlich ins Zimmer vor Ulrichs Bett. Danach beugte sie sich tief zu ihm herunter und sagte ziemlich laut in sein Ohr: »Johann ist da.«
    Ich begriff, dass ich damit gemeint war, obwohl ich diesen Vornamen beinahe vergessen hatte, auch wenn er in meinem Ausweis eingetragen war.
    »Hallo, Ulrich«, sagte ich ebenso laut wie vorhin Isabell.
    Seine Haut sah aus wie Pergament, sein Gesicht war eingefallen und machte den Eindruck, dass es nur noch aus Haut und Knochen bestand. Langsam öffnete Ulrich die Augen und den Mund.
    »Gut, dass du endlich da bist«, konnte ich verstehen, wobei ich es mehr von seinen schmalen blauen Lippen ablas.
    Das Sprechen schien ihn sehr anzustrengen, denn er atmete schwer und Schweiß stand auf seiner Stirn. Er hob die Finger der linken Hand und ich verstand, dass ich ganz dicht zu ihm kommen solle. Also nahm ich einen Stuhl, setzte mich direkt vor sein Bett und beugte mich ganz dicht über ihn, sodass sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Ich spürte seinen Atem, der säuerlich roch, beinahe wie verwestes Fleisch, jedenfalls kam es mir so vor. Aber in diesem Augenblick störte es mich nicht. Ich sah nur seine wässerigen, blassblauen Augen, aus denen er mich ansah.
    »Du musst dich um Isabell kümmern«, sagte er etwas lauter. Vielleicht hatte ich lediglich den Eindruck, als ob es lauter war. Diese Worte hinterließen das Gefühl, dass er sie mit letzter Kraft in sein Krankenzimmer geschrien hatte, damit ich sie niemals vergessen würde.
    »Das ist doch klar«, sagte ich so laut, dass man es wahrscheinlich trotz der schweren Zimmertüren noch auf dem Gang der Station hören konnte.
    Er sah mich an. Seine Augen flatterten. Schon kroch mir die Angst den Nacken hinauf, dass das Licht darin erlöschen könnte. Doch zum Glück sprach er weiter. »Versprich es mir«, sagte er mit einer Entschlossenheit in seinem Blick.
    Ich wusste nicht, was ich entgegnen sollte. Irgendwie fühlte ich mich bedrängt. Ein solches Versprechen im Angesicht des Todes abzugeben, war mir unangenehm. Aber er ließ nicht locker.
    »Gib mir die Hand und versprich es mir.«
    Isabell stand am Fußende des Bettes und beobachtete uns.
    »Natürlich«, sagte ich, »ich werde ihr helfen.«
    Doch Ulrich schien damit nicht zufrieden zu sein. Er sah mich flehend an, anscheinend hatte er seit Stunden auf mich gewartet. Sein Atem ging schwer und dann quälte er nochmals diese drei Worte aus sich heraus: »Versprich es mir!«
    Erschöpft sank er in sich zusammen und

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