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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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ihr über die Schulter, ihre Lippen hatte sie dunkelrot geschminkt und in ihren strahlend blauen Augen lag das Glück einer verliebten jungen Frau.
    »Davon habe ich seit Monaten geträumt«, seufzte sie zufrieden und neigte dabei ihren Kopf leicht nach links.
    Sie hatte es gut. Sie wusste, was sie wollte. Aber ich?
    »Waren wir schon früher auf dieser Terrasse?«, fragte ich.
    Das hätte ich besser nicht tun sollen. Sie griff nach meiner Hand und drückte sie ganz fest, ich sah, dass ihre Augen feucht wurden und dann sagte sie: »Mein Gott, Dieter, weißt du das denn wirklich alles nicht mehr?«
    Es schien für sie unfassbar zu sein, dass ich mich an die Zeit mit ihr nicht mehr erinnern konnte. Nur die gemeinsame Zeit in Hamburg war uns geblieben.
    Ich bestellte Champagner, um sie abzulenken. »Zur Feier des Tages«, sagte ich und Natalie strahlte.
    Jenseits des Kanals lag die Insel San Giorgio Maggiore im Abendlicht. Weiß grüßten die Säulen ihrer Kirche herüber. Aufrecht trugen sie ihren Dreiecksgiebel, der sich schützend vor die Kuppeln schob, die alles überragten. Natalie war glücklich. Vorspeise, Hauptgericht, Nachtisch – alles aß sie mit großem Appetit. Sie erzählte von unseren früheren Besuchen in Venedig, schwärmte von gemeinsamen Abenden auf der Dachterrasse, rief mir eine nächtliche Gondelfahrt in Erinnerung und sprach ganz ungeniert über unsere Liebesnächte im Hotel. Jedes Mal, wenn ihre Stimme leise wurde, wenn sie sich ganz dicht zu mir beugte, wenn sie nur noch in mein Ohr flüsterte, wusste ich, dass sie begeistert über unsere Liebe sprach.
    Die Nacht hatte sich inzwischen über Venedig gesenkt. Die Schiffe waren beleuchtet, an den Gondeln hingen Laternen, der Campanile hob sich dunkel gegen den Nachthimmel ab und auf den Tischen der Dachterrasse des Danieli brannten Kerzen in eleganten Kelchen aus Muranoglas. Natalie legte ihre Hand auf meine.
    »Du bist sicher müde«, sagte sie. »Wollen wir schlafen gehen?«
    Dabei schaute sie mich so auffordernd an, dass ich genau wusste, was das bedeutete.
    »Ich denke, es ist Zeit«, antwortete ich, »ja, lass uns gehen.«
    Wir ließen Essen und Getränke auf die Zimmerrechnung schreiben und gingen nach unten. Kaum hatten wir die Zimmertür geöffnet, kam mir auch schon Oskar entgegen. Er sprang an mir hoch, winselte und bellte sogar.
    »Hallo, mein Kleiner! Wir müssen ja noch Gassi gehen«, sagte ich und sah die Enttäuschung in Natalies Augen.
    »Kommst du mit?«, fragte ich sie.
    »Ich warte hier auf dich. Aber komm bald zurück!«
    Wahrscheinlich wollte sie sich frisch machen und dann würde sie auf mich warten, bereit für die Liebe mit mir, von der sie den ganzen Abend geschwärmt hatte.
    Eigentlich war ich froh, dass mir Oskar noch etwas Aufschub verschaffte. Ich nahm ihn auf den Arm und ging mit ihm hinunter vors Hotel. Auch um diese Zeit war die Promenade am Canal di San Marco noch belebt und so zog ich es vor, durch die Calle delle Rasse, vorbei am Seitenflügel des Hotels, mit Oskar in die kleineren Gässchen zu spazieren. Venedig war in die Höhe gebaut. Drei oder vier Stockwerke hatten die Häuser, manchmal auch mehr. Wäsche hing selbst um diese Zeit quer über den Gassen, Kanarienvögel saßen in ihren hölzernen Käfigen direkt vor den kleinen Fenstern. Kleine Bogenbrücken überspannten die Kanäle, welche die Gassen kreuzten. Venedig war hier ganz Venedig. Es hatte die Touristen abgeschüttelt, es ließ seine Katzen durch die Gassen schleichen, die Oskar jeweils bellend verscheuchte, es plätscherte mit dem Wasser seiner Kanäle gegen die Häuser, die im Wasser standen, als ob sie sich von der Hitze des Tages kühlen wollten. Durch die offenen Fenster hörte man Stimmen, Musik, die Geräusche der Fernseher. Hier lebte Venedig, hatte seine touristische Maske abgeworfen, war zu der zauberhaften Stadt geworden, die ich mir vorgestellt hatte.
    Oskar schnüffelte unablässig an den feuchten Ecken, die es hier überall reichlich gab. Er schien ebenso begeistert wie ich, gefangen von den Gerüchen dieser einmaligen Stadt. Wir überquerten eine der steinernen Bogenbrücken über den Rio di Santa Maria Formosa. Ich hielt mich rechts, in der Meinung, damit den Rückweg zum Hotel anzutreten.
    »Wir müssen zurück«, sagte ich zu Oskar, »sonst wird Natalie böse sein.«
    Er sah mich an, als ob er mich verstand, und ging brav bei Fuß neben mir. Über mir hörte ich wieder lebhafte Stimmen aus einem Fenster im zweiten Stock. Verstehen

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