Make Me Gluecklich
beiden genügend gekichert hatten, klärten sie mich endlich auf. »Nora«, schnaufte Biggy, »der Günter ist mein verstorbener Mann, der Vater von der Denise. Wirwaren 28 Jahre verheiratet, mein Günter und ich, aber vor sieben Jahren ist er gestorben. Ich red jeden Tach mit ihm, immer wenn was anfällt, und ich glaube – ach was: ich weiß , datt er mich hört. Weil er nämlich antwortet – deswegen.« Sie strahlte mich mit felsenfester Überzeugung an.
»Wie äh . . .?«, fragte ich.
»Vielleicht ist es wirklich so«, steuerte Denise bei, »weil sie manchmal so schaut . . .«
»Na ja«, sagte ich schlagfertig. »Solange ich keinen Beweis für das Gegenteil habe! Aber wenn das so ist, dann frage ich mich schon, was Ihr Mann zu äh . . . Stan sagt. Beispielsweise.« Es war ein Versuch, und ich hatte keine Ahnung, wie Biggy reagieren würde. Ich wusste nur, dass ich nicht gut fand, wie sie Raoul abblockte. Wieso war ein Doorman nicht gut genug für ihre Tochter? Warum durften sie das nicht ausprobieren? Wo waren wir denn – im Mittelalter?
Biggys Blick flackerte unsicher. Sieh an – sie hatte mit ihrem Günter wohl noch nie über andere Männer geredet.
»Da gibt’s ja gar nix drüber zu sagen, jedenfalls noch lange nicht! Und wenn, so glaube ich – nur mal so für den Fall! –, würde der Günter sagen, datt wo die Liebe hinfällt, nun mal kein Kraut gegen gewachsen ist!«
»Ah«, sagte ich gedehnt. » So ist das?!«
Als wir uns verabschiedeten, war das Eis zwischen Mutter und Tochter fast schon gebrochen. Wir hatten Raoul nicht erwähnt, Denise und ich, als hätten wir uns abgesprochen – ich war der Meinung, die Sache mit der Liebe und dem fehlenden Kraut müsste jetzt erst ein bisschen gären, und Denise schien das ähnlich zu sehen.
Wir umarmten uns, als wären wir Freundinnen, und dann marschierte ich davon in die Berliner Nacht.
Wie geschickt ich mich da für die Beziehungen andererLeute einsetzte, dachte ich bei mir, ob mir das auch bei meiner eigenen gelingen würde?!
In diesem Moment rief Sven an und sagte, er sei mit der Arbeit fertig und habe meinen Koffer in die neue Wohnung gestellt.
Das nahm ich als hoffnungsvolles Zeichen. Sven schlug vor, uns im »Green Door« zu treffen, und das taten wir dann auch. Wir waren vorsichtig miteinander – keiner von uns wollte offenbar riskieren, schon wieder einen Streit vom Zaun zu brechen. Woran es bei ihm lag, weiß ich nicht – ich selbst fühlte mich müde und irgendwie ausgewrungen. Definitiv hatte ich keine Lust mehr auf Zoff.
Nach ein, zwei Bieren und langsam anlaufenden Gesprächen gingen wir zu Fuß in die neue Wohnung in der Motzstraße. Zuletzt war ich vor vier Wochen dort gewesen, nachdem wir den Mietvertrag unterzeichnet hatten – es kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit.
Sie waren eigentlich ganz hübsch, die zwei Zimmer mit Wohnküche, Bad und Balkon, ein typischer Berliner Altbau mit alten Dielen und hoher Decke. Aber im Augenblick waren Svens Möbel und Dutzende von Kartons so planlos und willkürlich überall abgestellt, dass ich spontan lieber die Flucht ergriffen hätte.
Das stand nur leider gar nicht zur Diskussion – zumindest nicht, wenn ich noch Wert auf die Fortsetzung meiner Beziehung legte. Ich sagte Sven, da habe er aber viel geackert in der letzten Woche. Er kriegte die Ironie gar nicht mit.
»Ja«, erwiderte er, »aber ein bisschen Arbeit hab ich für dich noch übrig gelassen.«
Ich ließ das Thema fallen und sagte, wir sollten lieber ins Bett gehen. Das Bett war das einzige Möbelstück, das schon einigermaßen an seinem Platz stand, und außerdem war es der Ort, wo es zwischen Sven und mir am wenigsten Konfliktpotenzial gab.
Bevor wir in die Kissen hüpften, fiel mein Blick zufällig auf meinen Koffer aus New York, der ein wenig verloren zwischen einem halb geleerten Umzugskarton und einem rahmenlosen, gegen die Wand gelehnten Spiegel stand. Er sah einsam aus – wie ein Ding aus einer völlig anderen Welt.
Irgendwie zog dieses Wochenende an mir vorüber, ohne dass mir Einzelheiten richtig zu Bewusstsein kamen: das tastende Zurechtfinden in der neuen Wohnung, Sex mit Sven, ewig langes abendliches Geplauder mit Silke, Marie, Martin und anderen, ein viertel Umzug von der Vorbergin die Motzstraße (am Sonntagmittag packte ich drei Kartons mit Krempel und fuhr sie mit Tommys altem Auto in die neue Wohnung).
Ich versuchte, mich irgendwie in mein altes Leben zurückzuwühlen, aber es wollte mir nicht
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