Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)
aus dem Gebäude schafft. Die Klasse leert sich schnell. Ich warte, bis das Stimmgewirr im Flur sich entfernt, trete hinaus und begrüße die Ruhe und das Alleinsein. Vor dem Haupteingang werden Klaus und Martin auf mich warten. Einen Teil des Heimwegs gehen wir immer gemeinsam. Aber nicht heute. Ich bleibe im Treppenhaus stehen und überlege, wo die anderen Ausgänge sind. In Gedanken gehe ich durch den Flur mit den Fenstern zum Innenhof, der an das Lehrerzimmer grenzt. Vorbei am Physiksaal geht es zu den Lehrerparkplätzen neben dem Sportplatz und raus zur Straße. So geht’s! Vereinzelt begegnen mir noch Schüler, Nachzügler. Sie stürzen aus den stillen Klassenzimmern und rennen mit den Taschen unter dem Arm hallenden Schrittes davon. Was soll die Eile? Ich will nicht sofort nach Hause. Nicht heute. Zu lange war ich fort. Ich will wieder Wurzeln schlagen. Dem Hausmeister sei Dank – die matte Glastür ist noch nicht verschlossen, die Schule gibt mich frei. Vor mir fahren die Lehrer mit ihren Kleinwagen vom Parkplatz. Zu meiner Rechten geht’s zum Sportplatz. Links liegt die Turnhalle, dahinter der Schulhof. Dort muss ich lang. Ich warte noch, um sicherzugehen, dass meine Freunde weg sind, als mir die Tür ins Kreuz schlägt. Erschrocken trete ich beiseite. Frau Schmidts kommt raus. Mit einem flüchtigen Blick nimmt sie mich zur Kenntnis und geht Richtung Parkplatz. Sie macht mich so wütend.
„ Ich würde mich entschuldigen“, murmle ich.
Sie stoppt, als wären meine Worte ein Lasso.
„ Was hast du gesagt?“
Verflucht! Sie macht kehrt und kommt direkt auf mich zu. Gleich schwingt sie ihren flammenden Feuerschweif. Aber ich komme ihr zuvor. Meine Haut platzt, als mir ledrige Schwingen aus den Schulterblättern wachsen und ich meinen dornenbesetzten Stachel aufrichte. Dann stoße ich zu.
„ Ich sagte, dass Ihr Verhalten völlig indiskutabel ist. Als Lehrerin ist es Ihre Aufgabe, mich auf das Leben vorzubereiten. Mir höflichen und respektvollen Umgang mit meinen Mitmenschen beizubringen. Aber alles, wofür Sie stehen, sollte vom Antlitz der Erde getilgt werden. Sie sind das Monster unter dem Bett. Ein Kinderschreck, der im Halbschatten des Wandschranks mit den quietschenden Türen lauert. Ein bellender Hund hinter dem Lattenzaun, an dem man auf dem Weg zur Eisdiele entlang muss. Eine Scherbe am Strand. Mag sein, jemand tritt auf Sie. Er wird bluten, vielleicht sogar heulen. Aber die Wunde wird heilen. Und wenn er zurückkehrt, wird er Stiefel tragen und Sie unter seinen schweren Sohlen zermalmen.“
Die Überraschung in ihrem Blick treibt mich an. Ich senke meine Stimme zu einem bedrohlichen Flüstern, wie ich es aus Horrorfilmen kenne.
„ Denken Sie daran, dass alle Kinder, die Sie heute knechten, bald erwachsen sein werden. Ich werde ein erwachsener Mann sein, wenn Sie eine gebrechliche, alte Krähe sind und mich längst vergessen haben.“
„ Wie kannst du es wagen…?“, stottert sie.
Ohne nachzudenken, schlage ich meine Stirn gegen die Türe. Es tut furchtbar weh. Das Glas bekommt einen Riss und meine Stirn auch.
„ Ich werde jetzt nach Hause gehen, und sagen, dass Sie mich geschlagen haben. Wie finden Sie das? Unfair? Genau das ist es. Es ist gemein und unbeschreiblich unfair.“
Sie nickt hastig. Ich kann ihre Angst spüren. Blut läuft mir über das Gesicht.
„ Ich werde nie mehr Angst vor Ihnen haben! Niemand wird jemals wieder Angst vor Ihnen haben! Wenn Sie in der nächsten Mathestunde noch dieselbe sind, dann gnade Ihnen Gott!“
„ Was?“, stutzt Braun.
„ Ich mache doch nur Spaß“, lacht Nori. „Wollte wissen, ob Sie noch zuhören. Jetzt erzähle ich Ihnen, was wirklich geschah.“
Ich kriege die Tür ins Kreuz. Erschrocken trete ich beiseite. Die Schmidts kommt raus. Mit einem flüchtigen Blick nimmt sie mich zur Kenntnis und geht Richtung Parkplatz. Sie macht mich wütend, aber ich sage nichts. Während sie noch in ihrem Kofferraum herumwühlt, gehe ich los. Als ich um die Turnhalle biege, sehe ich vor dem Eingang zum Schulhof drei Jungs. Einer davon ist Timm Becker. Seine Nase ist geschwollen. Er sieht mich auch.
„ Da!“, brüllt er, zeigt auf mich.
Verflucht!
Ich spurte los. Die Jungs auch, mir hinterher. Meine drei Verfolger haben längere Beine als ich und sind Sportler. Ich brauche mindestens ein Wunder, um ihnen zu entkommen. Bis nach Hause kann ich dieses Tempo nicht durchhalten. Ich erreiche die Straße. Flüchtig blicke ich in das Auto, das
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