Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)
das er wirklich gern hat.“
Josch dreht die Musik lauter.
„ Aber deine Attacken ...“, fragt sie.
„ Die Metamorphose ist noch nicht abgeschlossen. Ich habe große Hoffnung, dass nach dem morgigen Tag vieles anders sein wird.“
„ Ich hoffe, nicht alles wird anders sein, Nori Greth“, sagt sie und legt ihren Kopf an meine Schulter.
Wir parken auf einem Rastplatz. Kreuz und quer liegend wie Katzenbabys schlafen wir auf der Rückbank ein.
Samstag, 13. Juli 1985
Der Tag des Konzertes
Als ich aufwache, bin ich allein. Draußen geht gerade die Sonne auf. Bettina und Josch haben Frühstück gemacht. Mein Mädchen hat mir einen Kaffee besorgt.
„ Alte Leute brauchen das morgens“, scherzt sie. Wie recht sie hat.
„ Wir sind gut in der Zeit“, weiß Josch und schiebt sich einen Cracker in den Mund. Ich kann nichts essen. Heute ist der Tag! Bettina scheint meinen Kummer zu spüren und streichelt meinen Arm. Ich danke es ihr mit einem Lächeln.
„ Unsere Eltern sind bestimmt schon ausgeflippt!“, schmatzt Josch.
„ Auf jeden Fall“, bestätige ich und nehme doch einen Cracker.
„ Wir könnten sie anrufen“, meint Bettina. „Ihnen sagen, dass alles okay ist. Dass wir morgen zurück sind.“
Ich schweige.
„ Wir sind doch morgen zurück, oder?“
„ Auf jeden Fall“, bestätige ich.
Bettina springt auf.
„ Ich habe da hinten eine Telefonzelle gesehen. Kommt einer mit?“
Keiner will.
„ Ich sage meinen Eltern, sie sollen Euren Bescheid geben.“
Sie huscht davon.
„ Du bist dir nicht sicher“, sagt Josch.
Ich blicke auf.
„ Womit?“
„ Dass wir Morgen wieder zuhause sind. Das sehe ich dir an.“
Ich nicke stumm und nippe an meinem Kaffee.
„ Warum?“, will er wissen.
„ Weiß nicht. Ich bin der Einzige, der von der Bombe weiß. Van Schewick wird auf der Bühne sein. Ich habe keine Idee, was wir machen sollen. Und wenn wir es nicht rechtzeitig hinbekommen…“
„ Platzt die Bombe!“, beendet Josch meinen Satz.
Ich nicke.
„ Es tut mir leid, dass ich früher so kacke zu dir war, Josch.“
„ Bist du doof?“, grinst er.
„ Ehrlich“, bekräftige ich. „Alleine wegen dir hat sich die Reise schon gelohnt.“
Josch lacht, und Kekskrümel fliegen aus seinem Mund.
„ Hör auf! Kaufst du mir gleich Blumen oder was?“
Ich lache mit.
Er wird wieder ernst:
„ Willst du sie wirklich mitnehmen? Ich meine, es ist riskant.“
Daran habe ich noch gar nicht gedacht.
„ Was willst du machen? Sie hierlassen?“, frage ich.
Er nickt.
„ Zugegeben, hier ist nicht der tollste Platz der Welt. Aber sie wäre außer Gefahr.“
Josch hat recht. Aber trotzdem.
„ Sie würde uns dafür hassen“, weiß ich.
„ Nicht, wenn wir es nicht hinkriegen. Mann, wir könnten heute alle sterben!“
„ Niemand stirbt heute!“, sage ich mit aller Überzeugung, die ich aufbringen kann.
„ Abgemacht!“, bestätigt Josch.
Bettina kommt zurück. Sie sieht bedrückt aus.
„ Und?“, fragt Josch.
„ Mein Vater ist total durchgedreht“, seufzt sie. „Er sagt, die Polizei sucht nach uns. Es hat sich in rasender Geschwindigkeit rumgesprochen, dass wir den Wagen genommen haben.“
„ Frau Engler“, raune ich.
„ Deine Mutter“, fährt Bettina fort, „hat sofort meine Eltern und Josch’s Mutter verständigt. Sie sind alle krank vor Sorge.“
Ich versuche, die Last auf ihren Schultern etwas leichter zu machen:
„ Wir sind bald zurück. Wenn wir erklären, warum wir das getan haben, werden sie es verstehen.“
„ Vorausgesetzt, es gibt ihn wirklich, deinen Attentäter“, haucht Bettina.
„ Du glaubst mir nicht?“ Die Frage kommt mir lauter über die Lippen, als ich es wollte.
„ Komm schon, Nori“, hält sie dagegen. „Es ist schon allerhand, was du uns hier auftischst. Da müssen ein paar Zweifel erlaubt sein.“
Ich sage nichts mehr, weil sie recht hat. Aber ihre Worte kränken mich trotzdem.
Wir setzen schweigend unser Frühstück fort und hängen unseren Gedanken nach, bis ein Fremder zwischen den parkenden Autos hervortritt. Seine Augen sind hinter einer verspiegelten Sonnenbrille versteckt. Blondierte, wirre Haare. Bartstoppeln im bleichen Gesicht. Enge schwarze Kleidung. Die Schnallen seiner Stiefel klirren bei jedem Schritt. Eine Armeslänge entfernt von uns stoppt er. Keiner sagt ein Wort. Mit einer theatralischen Bewegung nimmt er die Brille ab und richtet seine blauen Augen auf Bettina. Er ist nicht
Weitere Kostenlose Bücher