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Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Titel: Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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an
meinem Lenkrad sitzt eine kleine Gestalt, verhüllt mit einer Decke. Sie macht
es, dass wir fliegen. Unter uns liegt nebliger Wald. In den dunklen Baumkronen
sitzt das London Philharmonic Orchestra und streicht Noris Theme ,
komponiert von Alan Silvestris.
    Lange bleibe ich nicht allein. Aus
einem dunklen Wolkenfetzen stößt Thomas zu mir. Auf einem fliegenden Skateboard.
Er ist der Erfinder in unserer Bande. Unter seinem Trenchcoat verbirgt er einen
hydraulischen Greifarm, Knallfrösche, Taschenlampen und Wasserpistolen. Gib
mir fünf, Alter! Wir fliegen dicht nebeneinander her und klatschen uns ab.
    Ein weiterer Freund nähert sich. Es
ist Klaus. Er ist das Großmaul. Der Draufgänger. Mann, hat der Speed drauf mit
seinem rostigen Bonanzarad. Immer in der ersten Reihe, wenn es zur Sache geht.
Und da kommt der dicke Martin. Sein Fahrrad schwankt auf und ab. Er hält sich
ängstlich am Lenker fest und kreischt wie ein Mädchen. Martin ist ein Feigling,
hat das Herz aber am rechten Fleck. Würde sich für uns, seine Bande, in Stücke
reißen lassen, wenn er nicht vorher über seine eigenen Beine stolpert. Er winkt
uns zum Gruß, wobei ihm seine Eiskugel vom Hörnchen rutscht und in der
Dunkelheit unter uns verschwindet. Wir lachen.
    Jörg, der große Bruder, der
Spielverderber, ist uns wie immer dicht auf den Fersen. Er soll auf uns
aufpassen, uns davon abhalten, auf Abenteuerreise zu gehen. Aber wir büxen
trotzdem immer wieder aus. Wer ist nur die Gestalt in meinem Korb? Ich erinnere
mich nicht. Sie macht es, dass wir fliegen.
    Nur aus Gewohnheit treten wir in
die Pedale. Im Handstreich zerstören wir einen Todesstern mit unseren
Steinschleudern. Miese Konstruktion, dieser Abwärmeschacht.
    Ein gläsernes Piratenschiff zieht
vorüber. Die Besatzung droht uns mit erhobenen Säbeln. Wir lassen sie links
liegen. Für den Moment. Niemand bedroht uns ungestraft. Dinosaurier streifen
durch den Wald unter uns. Sie schnappen zu, aber wir fliegen zu hoch. Viel zu
hoch. Die Luft wird dünn, die Erde klein. Na und? Thomas hat Atemgeräte für uns
alle gebastelt. Aus Strohhalmen, alten Kartons und Luftpumpen. Klaus
verscheucht die Falkenmänner im Alleingang. Er brüllt und geht zum Angriff
über. Sie nehmen Reißaus. Wir landen auf dem Mond. Es ist kalt hier, aber
Martin hat für alle heiße Schokolade in einer Thermoskanne dabei. Wir werfen
die Fahrräder in den Mondstaub und rutschen den Abhang in einen Krater hinab.
Es muss das Meer der Ruhe sein, denn plötzlich wird es ganz still. Ich trage
die verhüllte Gestalt im Arm wie ein Baby. Ich spüre, dass die Stille ihr
gefällt. Wie in Zeitlupe erreichen wir den Grund des Kraters. Nahezu schwerelos
springen wir umher, und keiner unserer begeisterten Jauchzer ist zu hören. Mit
Langlaufskiern aus Mondgestein erkunden wir die der Sonne zugewandten Seite des
Mondes. Es ist wohlig warm und wir schwimmen im Staub wie im Baggersee. Dann
halte ich es nicht mehr aus. Ich lüfte vorsichtig die Decke, um einen Blick auf
die Gestalt zu werfen. Sie ist ganz klein, alt und schrumpelig. Sie ist meine
Mutter.
     
     
     
     
     
     

Donnerstag,
11. Juli 1985
     
     
    Ich erwache in meinem Bett. Der
Wecker zeigt 09:08 Uhr. Draußen höre ich das Geräusch eines Besens, der über
Asphalt fegt. Bis ins Treppenhaus hallt die Stimme meiner Mutter. Neben der
Küche, im Esszimmer, sitzt sie auf der Eckbank und spricht scharf ins Telefon,
als ich reinkomme. Von verletzter Aufsichtspflicht, Körperverletzung und
ernsthaften Konsequenzen ist die Rede. Wörter, die ich kaum in ihrem Wortschatz
vermutet hätte. Sie kämpft für mich wie eine Löwin. Grußlos beendet sie das
Gespräch. Ihr Blick wird freundlicher, als sie mich ansieht.
    „Du gehst nicht zur Schule, bis das
geklärt ist.“
    Ich nicke. Soll mir nur recht sein.
Heute wäre wieder Mathe. Wir frühstücken, als wäre Sonntag. Mama erzählt mir,
dass sie schon mit Frau Becker gesprochen hat.
    „Wir waren uns einig, dass das so
nicht geht. Timm kann sich warm anziehen.“
    Ich lächle, lasse die Beine
baumeln, und kaue genussvoll meinen Marmeladentoast. Nicht nur Rache – auch Gerechtigkeit
ist süß.
     
    Meine Mutter geht einkaufen. Ob ich
einen Wunsch habe, will sie wissen.
    „Ein Comic“, sage ich. „Superman
oder die Spinne.“
    Ich bleibe allein zurück. Das
Wetter ist schön, und ich schlendere barfuß durch den Garten. Vorsichtig, damit
ich nicht auf eine Wespe trete. Unser Garten ist beinahe so groß wie ein
Fußballfeld

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