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Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Titel: Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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gut.
     
    Für mich gibt es heute nichts mehr
zu tun. Ich sitze im Zimmer meines Bruders, als er nach Hause kommt. Paul trägt
Uniform. Mit den mächtigen Springerstiefeln sieht er aus wie ein
Stehaufmännchen, weil er so dünn ist. Ein dichter Schnurrbart auf seiner
Oberlippe.
    „Raus hier, Wanze!“
    Er wirft seine Tasche in die Ecke.
Ich freue mich, ihn zu sehen. Nachdem alles den Bach runter gegangen ist, werden
wir nur noch sporadisch telefonieren. Und weil ich heute schon einmal dabei
bin, springe ich auf, und umarme ihn. Er ist so groß, dass ich ihm gerade bis
zur Brust reiche. Verdutzt hält er inne, streicht mir durchs Haar:
    „Hey, kleiner Bruder, was ist denn
mit dir los?“
    Wir setzen uns auf das Sofa, hören
Platten, und reden. Paul erzählt von der Bundeswehr, wie unglaublich stumpfsinnig
sein Dienst da ist, und lässt mich wiederholt versprechen, dass ich verweigere.
Ehrenwort! Ich erzähle, dass ich eins aufs Maul bekommen habe. Das weiß er natürlich
längst von unserer Mutter. Er möchte wissen, wie es dazu kam. Ich berichte ihm
vom Montag, als ich diesen Konflikt ja eigentlich ausgelöst habe, indem ich
Timm sein Sweatshirt zurückgab. Paul kriegt sich kaum noch ein vor Lachen, und
wir klatschen uns ab.
    „Ich kann diese Arschmade auch
nicht ab“, verkündet er. Das macht mich stolz. Mama gesellt sich zu uns. Mit
einem Seufzer plumpst sie neben Paul aufs Sofa und legt ihren Kopf an seine
Schulter. So haben wir früher oft zusammengesessen. Paul und ich erzählen
Unsinn, schaukeln uns gegenseitig rauf, bis uns vor Lachen die Limonade aus der
Nase sprudelt. Und heute passiert noch mehr als das. Etwas unglaublich Schönes.
    Unser Vater setzt sich zu uns!
Kommt rein, etwas zögerlich, und platziert sich neben mir auf der Armlehne. Und
als wäre das nicht schon verrückt genug – das Gespräch ist gerade verstummt,
weil auch Paul und Mama platt sind – beginnt er, zu sprechen. Mehr Worte, als
ich sonst in einer Woche von ihm hören darf, kommen aus seinem Mund. Von seiner
Arbeit, und wie sehr sie ihm zusetzt. Wie schwer es ist, gute Mitarbeiter zu
finden. Wie unrealistisch die Erwartungen des Vorstands sind, und, und, und.
Mama holt Kaffee rauf, und Paul legt eine andere Platte auf. Ich rühre mich
nicht, nicke und lausche, weil Papa mit mir spricht, mich ansieht mit seinen
müden, traurigen Augen. Und als Cyndie Lauper Time after Time jammert,
bin ich mehr zuhause, als ich es jemals zuvor war. Und dieses Gefühl ist so
wundervoll, das ich mich darauf konzentriere, es festzuhalten. Es mir
einzuprägen. Denn es füllt die Leere in mir wie warmer Sommerregen ein
ausgetrocknetes Flussbett. Und meine Zuneigung wächst wie das Schilf an den
Ufern, in dem schon bald wieder bunte Libellen herumschwirren werden wie Träume
und die krausen Gedanken eines kleinen Jungen, dem die Welt zu Füßen liegt,
während er in einer riesengroßen Seifenblase über das Königreich seiner
Kindheit schwebt.
     
    So merken wir gar nicht, dass der
Tag zum Abend wird. Und weil es plötzlich so spät ist, gehen wir alle zusammen
aus essen. Meine Mutter hakt sich bei Paul und mir unter, als wir durch die
Straßen unseres Dorfes spazieren. Eine Frau, die ich nicht kenne, schaut aus
ihrer Haustür.
    „Die ganze Familie Greth zusammen“,
kommentiert sie lächelnd.
    Als wir bei dem kleinen Italiener sitzen, gleich
bei der Kirche, und Paul von seinen Zukunftsplänen für die Zeit nach dem
Wehrdienst berichtet, glaube ich, das Licht der Kerzen in den Augen meines
Vaters schimmern zu sehen. Vielleicht, weil er seine eigene Vergangenheit in
seinem ältesten Sohn leuchten sieht. Oder weil er weiß, dass nichts bleibt, wie
es ist, und dass das manchmal auch gut ist.
     
     
     
     
     
     
Freitag,
12. Juli 1985
     
     
    Ich muss eine Weile quengeln, damit
meine Mutter mich zur Schule gehen lässt. Aber heute ist nicht der Tag, um mich
zu beglucken. Heute ist der Tag! Und ich bin ein Goonie. Also los, Nori
– raus in den Dschungel mit dir. Wie auf Bestellung spielt mein magischer
Walkman den Song, den ich jetzt brauche: Never Surrender von Corey Hart.
     
    So if you're
lost and on your own
    You can never
surrender
    And if your
path won't lead you home
    You can never
surrender
    And when the
night is cold and dark
    You can see,
you can see light
    Cause no-one
can take away your right
    To fight and
never surrender.
     
    Die Melodie umhüllt mich wie eine
Wolke der Unzerstörbarkeit, als ich den Schulhof betrete. Wer will aufs

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