Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)
Josch’s Plan,
ich würde nicht hingehen. Hoffentlich krieg ich nicht wieder aufs Maul! Ich
schaue wiederholt auf die Uhr.
Aus Mangel an Alternative, aber
auch mit heimlicher Begeisterung, sitze ich vor dem Fernseher und gucke Pippi
in Taka-Tuka-Land . Es dauert nicht lange, da gesellt sich Paul zu mir.
Natürlich macht er blöde Sprüche von wegen Kinderkram und so. Aber schnell hält
er die Klappe und schaut mit.
Das Telefon klingelt. In alter
Tradition rühren wir uns nicht, bis Mama verkündet, dass es für mich ist.
„Yep“, melde ich mich.
„Josch hier.“
„Was geht ab?“
„Hör zu! Ich glaube, das ist
wichtig für dich.“
„Lass hören.“
„Dein Kumpel Martin ist eine
Arschmade. Ich habe ihn belauscht, als er mit dieser geschminkten Tussi geredet
hat.“
„Claudia.“
„Möglich. Auf jeden Fall ziehen die
beiden eine krumme Nummer mit dir ab. Nichts von dem, was Bettina angeblich
über dich gesagt hat, ist wahr. Das hat Martin sich ausgedacht, weil er gemerkt
hat, dass Bettina auf dich steht. Alles klar?“
„Alles klar! Josch?“
„Ja?“
„Du bist der Geilste!“
Josch lacht und legt auf.
Ich Volltrottel!
Der Nachmittag bricht an. Endlich.
Phase 1 beginnt. Der Adler ist noch nicht gelandet. Er zupft sein Gefieder
zurecht. Der Anzug ist aus Schurrwolle, tiefschwarz, und sitzt wie für mich
gemacht. Paul bindet mir die Krawatte. Ich trage sie locker um den Hals, den
oberen Hemdknopf geöffnet. Wir betrachten mich im Spiegel.
„Cool!“, beschließt Paul.
„Meine Haare“, jammere ich und
wuschle durch meine langweilige Frisur.
„Da können wir was machen“,
sinniert Paul wie Figaro, reibt sich nachdenklich das Kinn.
„Entweder fahre ich mit meinem Auto
über deinen Kopf,“ – wir lachen – „oder versuchen es mit“ – Paul singt –
„Stu-Stu-Studio-Line“.
„Gleicher Schnitt, neuer Look“,
steige ich mit schriller Stimme ein.
Paul zaubert eine Tube Wetgel aus
dem Schrank, verschmiert es glitschig schmatzend in seinen Händen, und
bearbeitet meine Haare so energisch, dass ich fast umfalle.
Und wirklich, das Ergebnis kann
sich sehen lassen. Die Haare stehen mir strubbelig zu Berge und verleihen mir
etwas von Dave Gahan.
„Du kannst ja doch was“, piesacke
ich Paul.
Er droht, das restliche Gel auf
mein Jackett zu schmieren, verteilt es dann aber in seinen Haaren, fängt wie
blöde an zu tanzen und singt Girls just wanna have fun .
Und noch während ich Paul
begeistert anfeuere, kommt mir in den Sinn, dass ich dabei bin, die Zukunft neu
zu schreiben. In Schönschrift. Verdammt, ich weiß nicht, ob ich dieses
Wochenende überlebe. Aber vorher habe ich einen Wunsch: Ich möchte einmal mit
meinem Mädchen tanzen.
Meine Mutter schießt tatsächlich
Fotos von mir, bevor ich das Haus verlasse. Bereitwillig hat Paul seine Platten
rausgerückt für die Fete. Nicht nur wegen all dem liegt heute ein besonderer
Zauber in der Luft. Die normale Freitagabendmagie, gepaart mit einer
hoffnungsvollen Brise aus besseren Zeiten, die vor mir liegen. Vor uns allen.
Klack-Klack machen die Absätze meiner Stiefeletten auf dem heißen Asphalt. Ich
trage das Jackett über der Schulter, die Platten unter dem Arm. Der Schlüssel
von Pauls altem Polo rasselt in meiner Tasche. Ich komme mir vor wie der Typ
aus Straßen in Flammen. Bin der einsame Wolf auf dem Weg zum Showdown Part
1.
Claudia wohnt jenseits der
Bundesstraße. Ich biege um Ecken, die mich aus meinem Revier führen, folge schmalen
Wegen mit hohen Mehrfamilienhäusern. Vorbei am Spielplatz, wo nie jemand
spielt, über die Ampel. Ein Stück den Fahrradweg entlang, bis zur Telefonzelle.
Das gegenüberliegende Haus ist es. Ich ziehe mein Jackett über. Hier ist das
Dorf fast zu Ende. Vorsichtig überquere ich die Straße, folge der
unasphaltierten Einfahrt rechts vorbei an dem Bungalow bis auf einen großen
Hof, der von Feldern umsäumt ist. Hier liegt viel Schrott rum, rostige
Container und alte Autoreifen. Eine Tür führt in die leeren Büros. Ich höre
Stimmen, leise Musik. Zu beiden Seiten des gekachelten Flurs zweigen Türen ab.
Plötzlich öffnet sich eine. Martin tritt heraus. Die Toilettenspülung rauscht
noch.
„Nori!“, sagt er überrascht.
Bevor er weiß, wie ihm geschieht,
liegt er am Boden und ich prügle auf ihn ein.
„Nein!“, sagt Braun energisch,
kopfschüttelnd. „Noch mal kriegen Sie mich nicht dran.“
„Sehr gut, Doc“, lacht Nori.
„Langsam lernen wir uns
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