Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)
Ameisennbärritual. Ronald Miller sieht
das im Fernsehen. Ein Stamm in Afrika tanzt es. Und auf einer Party an der
Highschool verkauft er es seinen vermeintlichen Freunden als neuen Tanz.“
„Interessant.“
„Wofür haben wir Sie eigentlich auf
die teure Schule geschickt“, lacht Nori.
Und die Musik ist mit mir. Danke,
Stephan. Don’t stop till you get enough hat den Beat, den ich jetzt
brauche. Los geht’s! Ich hebe die Arme, schüttle meine Hände, als hätte ich
mich an einer heißen Herdplatte verbrannt und wackel wild mit dem Kopf.
Schockwellen fahren durch meinen Körper. Mit den Beinen tänzle ich über Kreuz,
schwinge die Arme. Dann von vorn. Silvia steigt mit ein. Sie stellt sich neben
mich, beobachtet aufmerksam, und imitiert meine Bewegungen. Schütteln, tänzeln,
schwingen. Nach zwei Durchgängen hat sie’s drauf! Der Virus ist im Haus. Alle,
die mich noch eben ausgelacht haben, sind infiziert. Inkubationszeit: 15
Sekunden. Claudia hat’s erwischt. Schütteln, tänzeln, schwingen. Jörg. Klaus.
Bald alle, und ich bin raus aus dem Fokus und ab durch die Mitte.
Im Flur klingt die Musik gedämpft.
Ich komme kurz zu Atem, dann gehe ich hinaus auf den Hof. Leise Stimmen. Und
tatsächlich, um die Ecke stehen sie an die Wand gelehnt. Martin, ganz dicht vor
Bettina, die schüchtern zu Boden guckt, während er säuselt. Seine Augen weiten
sich überrascht, als ich hinter Bettina auftauche.
Sie dreht sich um.
„Nori!“
Das ist die perfekte Gelegenheit,
um Martins Haus der Lüge einstürzen zu lassen, ihn bloß zu stellen und in Bettinas
Augen ein für allemal als das zu entlarven, was er ist: eine hinterlistige
Ratte.
Aber als ich Luft hole, um meine
Worte der Wahrheit auf ihn abzufeuern wie Kanonenkugeln, stocke ich. Weil mir einfällt,
dass Martin nur ein verliebter Junge ist. Ein Junge, der mit allem ihm zur
Verfügung stehenden Mitteln um das Mädchen seiner Träume kämpft. Und in einer
Realität, die jetzt die Vergangenheit ist, wo es keinen coolen Nori gab, bekam
er das Mädchen. Und weil ich es bin, der die Zeit gebogen hat, der bei genauer
Betrachtung hier überhaupt nichts zu suchen hat, der falsch spielt,
halte ich die Klappe und erinnere mich, dass wir Freunde waren, nein sind. Und
so strecke ich nur mit einem Lächeln meine Hand nach Bettina aus und sage:
„Tanzen!“ Es ist keine Frage. Und
nach kurzem Zögern greift sie zu und erwidert mein Lächeln.
„Nori?“, sagt Martin, bevor Bettina
und ich Hand in Hand um die Ecke verschwinden. Ich wende mich ihm zu und lese
in seinem Blick. Da steht mehr, als ich zu wünschen gewagt hätte, und jedes
weitere Wort, jeder Erklärungsversuch wird überflüssig.
„Willst du den ganzen Abend da an
der Wand stehen?“, rufe ich ihm zu.
Das will er nicht, kommt zögerlich
näher. Bettina bietet ihm ihren freien Arm an. Er hakt sich ein, und mit dem
schönsten Mädchen in unserer Mitte gehen wir tanzen.
Die Musik ist mäßig gut. Aber was
spielt das für eine Rolle, wenn man Spaß mit seinen Freunden hat. Dies hier ist
nicht das filmreife Finale, der Showdown, den ich mir vorgestellt habe. Es ist
viel besser als das. Ich tanze nicht allein mit Bettina, während die anderen
uns ehrfürchtig beobachten wie Ballkönig und Ballkönigin. Alle tanzen. Jeder
ist der Größte. Und es ist auch nicht das Ende der Geschichte. Es ist der
Anfang. Wir sind hypnotisiert vom bunten Schein der Lichtorgel. Bei Take on
me brennt die Luft, und mit den Boys of Summer sind wir kurz davor,
die Hütte zu zerlegen. Mit Blasphemous Rumours holt Stephan uns sanft
wieder runter, um uns dann in Wild Boys zu verwandeln. Und dann gibt er
uns den Rest mit Forever Young. Und restlos alle liegen sich in den
Armen und singen. Aber außer mir weiß niemand um den Wahrheitsgehalt dieses
Liedes, weil alle anderen mit ihren wenigen Jahren auf den Buckeln noch
unsterblich sind. Darum singe ich vielleicht ein wenig lauter, als es schön
ist. Und dann fliegt die Tür auf, wie durch einen Tritt, und schlägt mit einem
lauten Knall gegen die Wand. Ich seufze, weil ich all das für den Moment völlig
vergessen hatte.
Timm betritt als Erster den Raum.
Seine Jungs folgen ihm. Fast die ganze Handballmannschaft. Sie reihen sich auf
wie Soldaten. Es sind viele. Bestimmt zehn. Die Tänzer erstarren, die Musik
verstummt. Ich bekomme eine scheiß Angst.
Jörg drängelt sich durch die
schweigende Menge. Er nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette, lässt sie
fallen, bläst
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