Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)
wir uns gegenüber wie die Highlander . Und dann schupse ich ihn zur Seite und renne davon.
Das ist blöde, weil es feige
aussieht. Ich pfeif drauf! Mein Tun dient einem höheren Ziel. Ich renne durch
den Flur raus auf den Hof und hoffe, dass Josch schon da war.
Auf der anderen Straßenseite, bei
der Telefonzelle, soll er stehen – der metallic-blaue Ford Taunus meines
Vaters! Ich höre Timm wütend meinen Namen schreien. Schnell verschwinde ich um
die Ecke, die Einfahrt zur Straße rauf. Kein Taunus? Ich bin so was von am
Arsch!
Quietschende Autoreifen lassen mich
aufhorchen. Da schießt er über die Kreuzung. Ein Mann. Sein Auto. Nein – ein
Junge und das Auto meines Vaters. Gib Gas, Josch! Ich blicke zurück.
Timm kommt gerade um die Ecke. Er rennt nicht. Wie der Terminator! Ich
überquere die Straße. Der Taunus schlingert, kommt schnell näher. Josch bringt
ihn schräg auf dem Grünstreifen zum Stehen, springt raus, wirft mir die
Schlüssel zu.
„Wollte nicht anspringen!“,
entschuldigt er sich und schmeißt sich in die Büsche des erstbesten Vorgartens.
Ich setze mich in den Wagen und
drücke den Knopf runter. Eingesperrt, ausgesperrt. Soweit alles planmäßig. Wie
ein Wiesel sucht Josch durch das Unterholz das Weite. Er hat noch was zu
erledigen. Timm erreicht die Straße. Seine Nase blutet. Er entdeckt mich und
kommt näher. Seine Stimme klingt dumpf zu mir herein.
„Komm raus, du feige Sau!“
Wie von Sinnen rappelt er am Türgriff.
Die Beute zum Greifen nah und doch unerreichbar – seine Wut kocht über.
Erwartungsgemäß. Er tritt mit aller Kraft gegen die Tür. Ich rühre mich nicht.
Dann läuft er ein paar Schritte. Im nächsten Vorgarten wachsen Tomaten. Die
hohen Pflanzen werden durch rostige Metallstangen gestützt. Timm zieht eine aus
dem Boden. Er baut sich vor dem Wagen auf und wir blicken uns an. Plötzlich
hebt er die Metallstange und donnert sie auf die Motorhaube. In Gedanken
entschuldige ich mich bei meinem Vater. Timm zertrümmert die Scheinwerfer. Ihm
brennen die Sicherungen durch. Wo bleibt nur Josch? In der Einfahrt tauchen die
anderen auf. Auch Timms Kumpel. Einer löst sich aus der Gruppe, kommt näher.
Beruhigend redet er auf Timm ein. Aber der schwingt drohend die Metallstange.
Der Kumpel hebt beschwichtigend die Hände und tritt zurück. Ich ducke mich, als
Timm die Windschutzscheibe attackiert. Noch so ein Schlag, und sie wird in
Scherben zerfallen. Doch endlich kommt die Kavallerie!
„Mein Auto!“, brüllt eine mir bekannte
Stimme.
Mein Vater ist da!
Ich blicke durch die Rückscheibe.
Josch ist bei ihm. Planmäßig fand er meinen Vater in seiner Stammkneipe. Betrunken.
So betrunken, dass er einst tödlich verunglückte. Heute nicht!
Papa bleibt stehen. Der Anblick
seines zerstörten Wagens scheint ihm körperliche Schmerzen zu verursachen. Dann
entdeckt er mich. Timm erstarrt, lässt die Metallstange polternd zu Boden
fallen. Ein Fehler. Mein Vater wird auf ihn aufmerksam. Schon kommt er über
ihn.
„Was machst du mit meinem Sohn?“
Timm stammelt Entschuldigungen mit
tränenerstickter Stimme, duckt sich. Mein Vater ohrfeigt ihn und brüllt. Die
anderen kommen über die Straße. Die meinen Vater kennen, reden beruhigend auf
ihn ein. Martin, Klaus, einer von Timms Kumpeln. Umsonst! Mein Vater ist eine unaufhaltbare,
präzise Ohrfeigenmaschine. Ich steige aus dem Wrack, stelle mich etwas abseits
zu Josch. Außer Bettina achtet niemand auf mich. Timm tut mir leid. Mein Vater
auch. Ich habe ihn noch nie so wütend erlebt. Ich nicke Josch zu, und er weiß,
was zu tun ist. Er steigt in die Telefonzelle und wählt 110.
Timms Wangen leuchten wie Sterne.
Für den Taunus wird er viele Monate Taschengeld hinblättern müssen. Kein Geld
mehr für schöne blonde Strähnchen. Josch stupst mich an. Zeit zu gehen?
Moment noch . Alle Anwohner stehen vor ihren Häusern, die Partygäste im
Halbkreis um meinen Vater, der mit den Polizisten diskutiert. Es brauchte
einiges an Überredungskunst und etwas sanfte Gewalt, um ihn von Timm zu
trennen. Alles meine Schuld. Ich weiß, dass darüber noch zu reden sein wird,
wenn ich aus London zurück bin. Aber dann wird dieser Autodiebstahl nicht das
einzige Thema auf der Agenda sein. Sollen meine Eltern mir doch tausend Jahre
Hausarrest geben. Fernsehverbot. Essensentzug. Einzelhaft. Mich nackt im
Keller anketten und mit Fischköpfen bewerfen. Was auch immer noch geschehen
wird in dieser Nacht – mein Vater wird nicht mit dem
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