Makroleben
seinen Stock auf den Stand. Er trug einen altmodischen Tweed-Blazer, ein goldenes Sporthemd, Hosen aus einer anderen Zeit und eine Silberbrille, die seine Augen zu Spiegeln machte und ihm das Aussehen eines wohlhabenden Panda verlieh. Er bückte sich ungelenk, um seinen Kopf nicht anzustoßen, und kam in den Raum.
Der Holzstuhl quietschte, als er sich gegenüber Sam hinsetzte. Er nahm die Brille ab und steckte sie in die Tasche seines Jacketts. „Wie geht es Janet?“ fragte er leise.
„Ich habe sie seit dem Begräbnis nicht mehr gesehen.“ Sam stockte. „Sie haben sich ein wenig Asche von dem Sarg geholt und sie als Jacks Überreste begraben. Die Familie des Fahrers und die Leichenwagengesellschaft klagen gegen Bulero.“
„Ich habe Richard darum gebeten, auch zu kommen“, sagte Orton. „Er dürfte jeden Moment kommen. Sonst noch irgendwelche Nachrichten?“
Sam zuckte die Achseln. „Die Nachforschungen werden so ruhig wie möglich durchgeführt. Bulero untersucht die Sache selbst. Die Lage sieht nicht sehr vielversprechend für die Gesellschaft aus. Die Raumfahrt steht still. Sie haben noch immer nicht herausbekommen, was mit den Transportern passiert ist.“
„Können sie die Verluste verkraften?“
„Wenn sonst nichts mehr passiert“, sagte Sam.
Richard kam herein und setzte sich in den Stuhl, der dem Spiegel gegenüberstand.
„Redet nur weiter“, sagte er. „Laßt euch durch mich nicht aufhalten.“
„Janet macht ihre Sache bei der Gesellschaft gut“, sagte Sam. „Sie hat während der Übergangsperiode, bis das Testament verlesen war, die Sache dort in die Hand genommen. Jeder schaut nach ihr, selbst Mike Basil. Sie weiß jetzt, daß sie gebraucht wird und daß Jack sie nicht nur aus Gnade beschäftigt hat. Ich glaube, sie fühlt sich jetzt enger mit ihm verbunden, als wenn er noch am Leben wäre.“
„Ich habe mich an der Ostküste um alles gekümmert“, sagte Richard. „Das frißt mir die Zeit auf. Ich weiß nicht, wann ich wieder zu meinem Studium zurückkehren kann.“
„Janet ist mit den Berechnungscomputern wirklich gut“, redete Sam weiter. „Man hat mir gesagt, daß ihre Diagnoseprogramme sehr scharfsinnig sind und den Regionaldirektoren eine große Hilfe bedeuten.“
„Paßt es dir nicht, daß du dich um die Gesellschaft kümmern mußt und in sie hineingezogen wirst?“ fragte Orton Richard.
Der Kellner unterbrach sie.
Sam bestellte zuerst. Wonton-Suppe, Schweinefleisch süß-sauer, alles aus Fleisch- und Gemüsekulturen hergestellt, eine Industrie, die endlich mit Tierzucht und Pflanzenanbau konkurrierte. Orton sprach chinesisch mit dem Kellner und bestellte Wonton und Rindfleisch lo Mein für Richard und sich selbst.
„Es paßt mir tatsächlich nicht“, sagte Richard, als der Kellner wieder gegangen war. „Ich wäre viel lieber auf dem Mond und würde meine Arbeit zu Ende bringen. Margot und ich würden am liebsten auf Asterom leben. Dort hätten wir Zugang zu Geräten für unsere Arbeit. Die Bio-Isolationslabors dort draußen sind wirklich ausgezeichnet.“
Sie aßen schweigend ihre Suppe. Während sie auf den Hauptgang warteten, fragte Sam: „Hast du schon entschieden, was du tun willst, wenn deine Amtszeit vorbei ist, Orton?“
Orton nahm einen Schluck Tee. „Ich denke, ich werde das Angebot annehmen, bei der Verwaltung von Asterom mitzuarbeiten. Ich habe eine Menge gelesen, mit Leuten gesprochen, geträumt.“
„In Träumen beginnen neue Verantwortungen. Sieh dich vor.“
„Du würdest die Träume nicht glauben, die von den Forschungsgremien des letzten Jahrhunderts in die Schubladen abgelegt worden sind.“
„Erzähl mir davon“, sagte Sam, der hoffte, einen Teil seiner Lethargie durch stimulierende Unterhaltung loszuwerden.
„Das Essen kommt, bevor ich damit fertig bin.“
„Los, Orton“, sagte Richard. „Du weißt, daß ich überzeugt bin.“
„Ich bin noch immer in der Lage, mich für Dinge zu interessieren, die über meine persönlichen Schwierigkeiten hinausgehen“, sagte Sam. „Worüber habt ihr beide also geredet?“
Der Kellner kam mit einem großen Tablett. Sie tauschten Portionen ihrer Gerichte gegenseitig aus. Sam ließ sich die frischen Gemüse aus der Fabrik schmecken. Der Tee war stark und aromatisch. Er erinnerte sich daran, wie Richard noch sein Student in Princeton gewesen war, Philosophie studiert und sich über die Kreativität in den Naturwissenschaften erregt hatte – in der Rückschau war es unvermeidlich
Weitere Kostenlose Bücher